Einzelhandel Zettelwirtschaft an der Bäckereikasse

Düsseldorf · Ab 2020 ist die Ausgabe von Kassenbons Pflicht – für den Handel eine pure Verschwendung.

Jede Menge Kassenbons? Ab 1. Januar 2020 gibt es zwar eine Bonausgabe-, aber keine Bonmitnahmepflicht.

Foto: dpa/Andrea Warnecke

Gerade hat er seine Filialen auf ein fiskalsicheres Kassensystem umgestellt, das dem Finanzamt computergestützte und schnelle Kontrollen ermöglicht. „Wir haben auf große Displays geachtet, damit die Kunden kontrollieren können, was eingetippt wird. Im Gegenzug verzichten wir auf Kassenbons und drucken sie nur auf Wunsch.“ Aber ab dem 1. Januar 2020 hat er keine Wahl mehr – und macht folgende Rechnung auf: „Bei 55 000 Kunden im Monat sind das 440 Quadratmeter Bonpapier. Und in 98 Prozent der Fälle werden die Verkäuferinnen die Bons anschließend wegwerfen, weil die Kunden sie nicht mitnehmen wollen.“

Kassengesetz wurde schon
Ende 2016 verabschiedet

Die neue Regelung geht auf das Ende 2016 verabschiedete „Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen“ zurück, kurz Kassengesetz genannt. Es soll Steuerhinterziehung durch Datenmanipulation verhindern. Schon seit 2018 ist die Kassennachschau möglich: Betriebsprüfer können ohne vorherige Ankündigung während der üblichen Geschäftszeiten die Kasse überprüfen.

Ab 2020 müssen elektronische Kassensysteme darüber hinaus über eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung (TSE) verfügen. In dem Zusammenhang gilt dann auch die verpflichtende Belegausgabe. Sie könnte zwar auch elektronisch erfolgen, aber dann müssten Verbraucher wie Betriebe dasselbe System verwenden. Tatsächlich wird es also beim klassischen Kassenbon bleiben. Der Ausgabepflicht steht aber (anders als beispielsweise in Italien) keine Mitnahmepflicht gegenüber. Die Kunden können die Bons also einfach liegenlassen.

Der Handelsverband Deutschland (HDE) rechnet „mit mehr als zwei Millionen Kilometern zusätzlicher Länge an Kassenbons im Jahr“, so HDE-Steuerexperte Ralph Brügelmann. Dabei sei das keine zusätzliche Hilfe gegen Steuerbetrug. Denn bei TSE-Kassen werde bereits mit dem ersten Tastendruck beim Kassieren eine Transaktion eröffnet, die sich nicht mehr ohne Spuren löschen lasse. „Ob dann der Kunde einen Beleg bekommt oder nicht, ist unerheblich.“

Auch wenn der gesamte Handel betroffen ist, befürchten vor allem diejenigen Betriebe unnötigen Aufwand, die viele günstige Artikel verkaufen, weil bisher vor allem dort auf Bons verzichtet wurde. Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks fordert bereits, dass Bäckereien mit TSE-Kassen von der Belegausgabepflicht befreit werden sollen. Bundesweit würden sonst jährlich rund fünf Milliarden Papierbons zusätzlich anfallen. „Wir reden über Umweltschutz und diskutieren über die Reduktion von Coffee-to-go-Bechern, schaffen dann aber auf der anderen Seite Müllberge aus beschichtetem Papier“, sagt Hauptgeschäftsführer Daniel Schneider. Das sei reaktionär.

Geforderte Technik noch
gar nicht verfügbar

Dazu komme, dass die vorgeschriebenen technischen Sicherheitseinrichtungen noch immer nicht auf dem Markt verfügbar seien. Das Bundesfinanzministerium hat daher inzwischen eine Übergangsfrist bis zum 30. September 2020 eingeräumt – aber nur bezüglich der Umrüstung auf TSE. Die Beleg­ausgabepflicht gilt trotzdem von Jahresbeginn an.

Zwar sieht das Gesetz vor, dass „bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen“ Betriebe aus Zumutbarkeitsgründen auch von der Ausgabepflicht befreit werden können. Aber das Bäckerhandwerk beklagt, eine Anweisung des Ministeriums an die Finanzbehörden lasse diese Befreiungsvorschriften „praktisch leerlaufen“. Offenbar soll zunächst abgewartet werden, wie viele Unternehmen überhaupt Anträge stellen.

Bäckerei-Geschäftsführer Richard Kretzer stellt sich daher darauf ein, zum Jahreswechsel in seinem Kassensystem das Häkchen bei der Bonausgabe zu setzen und in einem Rundschreiben alle Mitarbeiter zu informieren – auch wenn er überzeugt ist: „Das ist eine pure Verschwendung von Ressourcen.“