Ermittlungen gegen Piëch und Porsche-Spitze
Stuttgart (dpa) - Erstmals zieht die Übernahmeschlacht zwischen Volkswagen und der Porsche-Holding PSE auch den VW-Patriarchen Ferdinand Piëch in den Strudel staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen.
Mehr noch: Der vor rund fünf Jahren begonnene Wirtschaftskrimi erfasst nun den kompletten früheren Aufsichtsrat der Porsche-Dachgesellschaft PSE. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat inzwischen alle Mitglieder des Gremiums im Visier, die zur heißen Phase des Machtkampfes 2008 als Kontrolleure der PSE beteiligt waren. Das sagte ein Sprecher der Anklagebehörde am Dienstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa in Stuttgart.
Grund sei der Verdacht auf Beihilfe zur Marktmanipulation, mit der Anleger womöglich getäuscht worden seien. Als Maximum im Strafmaß drohen dabei knapp vier Jahre Gefängnis. Namen nannte der Sprecher zwar nicht, er betonte jedoch, dass kein Aufsichtsratsmitglied ausgenommen sei. Wie die PSE auf Anfrage bestätigte und wie aus dem damaligen Geschäftsbericht hervorgeht, ist unter den Betroffenen neben VW-Patriarch Ferdinand Piëch auch dessen Cousin Wolfgang Porsche.
Laut Geschäftsbericht mit Stand Ende Juli 2008 gehörten damals außerdem Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück dazu sowie Hans Baur, Ulrich Lehner, Wolfgang Leimgruber, Hans Michel Piëch, Ferdinand Oliver Porsche, Hans-Peter Porsche, Hansjörg Schmierer, Walter Uhl und Werner Weresch. Die betroffenen Aufsichtsräte waren am Dienstag nicht zu sprechen. Die Pressestelle der PSE erklärte sich für allein zuständig, wollte aber vorerst nichts zu den Vorwürfen sagen. Man könne die Situation noch nicht einschätzen, erklärte ein Sprecher.
Zudem nimmt die Behörde einen weiteren damaligen Porsche-Manager ins Visier: Auch gegen den Ex-Unternehmenssprecher Anton Hunger wird wegen desselben Verdachts ermittelt, wie Hunger der dpa bereits am Montag bestätigt hatte.
Hintergrund ist der spektakulär gescheiterte Versuch von Porsche, die Macht beim wesentlich größeren VW-Konzern zu übernehmen. Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass damals Anleger und Finanzwelt gezielt hinters Licht geführt wurden, als 2008/2009 die heiße Phase der Übernahmeschlacht tobte.
In diesem Zusammenhang laufen bereits Klagen gegen den früheren Porsche-Chef Wendelin Wiedeking und den Ex-Finanzvorstand Holger Härter. Beide hatten die Vorwürfe in einer gemeinsamen Stellungnahme als haltlos zurückgewiesen. Gegen Härter war zudem bereits im vergangenen September ein Prozess wegen Kreditbetrugs gestartet. Das Verfahren läuft noch.
Die Anklagebehörde vermutet nach eigenen Angaben im aktuellen Fall, dass Aufsichtsratsmitglieder gegen Paragraf 20a des Wertpapierhandelsgesetzes verstoßen haben. Dabei geht es um die Manipulation von Aktienkursen durch falsche Informationen.
Für das Kontrollgremium wäre es nicht das erste juristische Nachspiel nach der Übernahmeschlacht: Bereits vor einem Jahr hatte das Oberlandesgericht Stuttgart die Entlastung des gesamten Aufsichtsrates der Porsche SE für das Geschäftsjahr 2008/2009 für nichtig erklärt. Geklagt hatte damals der Verein „Verbraucherzentrale für Kapitalanleger“. Dieser hatte kritisiert, Vorstand und Aufsichtsrat der Porsche SE hätten riskant gehandelt.
Laut OLG hatte VW-Patriarch Piëch seine Pflichten als Aufsichtsrat der Porsche SE verletzt. Piëch hatte demnach im Mai 2009 vor Journalisten sinngemäß gesagt, er habe sich keine Klarheit über die Risiken der Optionsgeschäfte von Porsche verschaffen können. Nach Ansicht des OLG gehört es jedoch zu den „Kardinalpflichten“ eines Aufsichtsrats, wichtige Geschäfte des Unternehmens zu erfassen.