EU kappt Banker-Boni unter lautem Protest aus London
Brüssel/Dublin (dpa) - Historisch - so nennt das Europaparlament den Kompromiss zur Begrenzung überhöhter Banker-Boni. Die EU ist damit nach eigener Einschätzung international führend. Das Finanzzentrum London ist anderer Meinung.
Vertreter des Europaparlaments und der irischen EU-Ratspräsidentschaft einigten sich in der Nacht zum Donnerstag nach über achtstündigen Verhandlungen in Brüssel auf den Kompromiss zur Deckelung der Zusatzgehälter in der Bankenbranche. Protest kommt aus Europas größtem Finanzzentrum London.
„Zum ersten Mal werden in der EU und weltweit Bonuszahlungen gedeckelt“, resümierte der Verhandlungsführer des Parlaments, Othmar Karas. Die Vorschriften gelten nach seinen Angaben für Banken mit Sitz in der EU weltweit sowie für Filialen ausländischer Geldhäuser innerhalb der EU.
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sagte in Dublin, seine Behörde habe schon 2009 die Boni auf die Agenda gesetzt und damit viel Widerspruch geerntet. Der Beschluss sei ein „starkes Signal“ an die Gruppe der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20). „Sie müssen mehr tun.“
Die Extravergütungen dürfen das eigentliche Gehalt der Banker nicht mehr übersteigen. Unter bestimmten Bedingungen können Aktionäre auf einer Hauptversammlung Vergütungen billigen, die doppelt so hoch sind wie das Grundgehalt. Die Volksvertretung und die EU-Kassenhüter müssen den Kompromiss noch endgültig billigen.
Die Vorschriften sollen vom 1. Januar kommenden Jahres an greifen. Sie betreffen laut EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier etwa 8200 Banken, davon seien rund die Hälfte genossenschaftlich organisierte Geldhäuser. „Wären diese Regeln vor fünf oder sechs Jahren in Kraft gewesen, hätten wir wahrscheinlich keine Lehman-Brothers-Affäre gehabt“, meinte der Franzose. Der Zusammenbruch der US-Investmentbank 2008 hatte die weltweite Finanzkrise ausgelöst.
Die Boni-Regelung ist Teil eines in der EU beispiellosen Regulierungspaketes, um Kreditinstitute krisenfester zu machen. Dazu werden auch schärfere Kapitalvorschriften für die Finanzbranche (Basel III) gesetzlich verankert. „Die Stabilisierung erfolgt dadurch, dass die Banken zukünftig mehr und besseres Kapital halten müssen“, sagte der konservative Österreicher Karas.
Großbritannien mit seinem großen Finanzzentrum London war in den Verhandlungen laut Diplomaten weitgehend isoliert. Londons konservativer Bürgermeister Boris Johnson reagierte mit scharfer Kritik: „Alles, was man mit dieser Maßnahme hoffen kann zu erreichen, ist, auf Kosten einer taumelnden EU (die Finanzzentren) in Zürich, Singapur und New York zu stärken.“ Er fügte hinzu: „Die Menschen werden sich fragen, warum wir in der EU bleiben, wenn die auf solch klar erkennbare Eigentor-Politik besteht.“
Etwas vorsichtiger äußerte sich der britische Premier David Cameron. Das Regelungspaket müsse so umgesetzt werden, dass die besonderen Bedürfnisse der Londoner City berücksichtigt werden, sagte Cameron am Donnerstag am Rande eines Treffens in Lettland. „Wir haben, anders als andere EU-Länder, große internationale Banken, die ihren Sitz in Großbritannien haben, aber in aller Welt aktiv sind.“
Auch die privaten Banken in Deutschland übten Kritik an der „starren Obergrenze“ der Boni zum Festgehalt. „Diese geht zu Lasten der Wettbewerbsfähigkeit des Finanzstandortes Europa und stellt eine unangemessene Bevormundung der Eigentümer dar“, heißt es in einer Stellungnahme des Bundesverband deutscher Banken.
Der SPD-Abgeordnete Udo Bullmann, der die Sozialdemokraten in den Verhandlungen vertrat, sagte: „Das heutige Verhandlungsergebnis deckelt die Bonuszahlung grundsätzlich auf die Höhe des Fixgehalts. Das bedeutet eine Revolution im Finanzmarkt, wo Verzehnfachungen des Gehalts keine Seltenheit sind.“
Die neuen Regeln sollen auch dazu führen, die Kreditvergabe an den Mittelstand zu erleichtern. „Das neue Bankengesetz ist nicht nur ein Stück Bankenregulierung, sondern dient der Finanzierung der realen Wirtschaft“, betonte Karas. Der irische Chef-Kassenhüter Michael Noonan, der amtierender Vorsitzender EU-Finanzminister ist, nannte das Kompromisspaket „gut ausbalanciert“. Er will das Paket am Dienstag mit seinen europäischen Amtskollegen debattieren.