EU-Kompromiss soll Autobauer zum Klimaschutz zwingen
Brüssel (dpa) - Europa will auch für die Zeit nach 2020 Zielwerte für den CO2-Ausstoß von Neuwagen festlegen. Auf konkrete Zahlen konnten sich Vertreter der EU-Staaten, des Europaparlaments und der EU-Kommission jedoch nicht einigen.
Allerdings sollen die von Deutschland favorisierten Supercredits wieder eingeführt werden. Dank dieser Boni können umweltfreundliche Autos und Spritschleudern in der CO2-Bilanz der Autohersteller gegeneinander verrechnet werden. Umweltschützer verdammten diese Boni in der Fahrzeugflotte am Dienstag als Rechentricks, Greenpeace spricht von einer „Subventionierung deutscher Spritschlucker“. Die Supercredits seien nichts anderes als Verschmutzungsrechte.
Die deutschen Autobauer begrüßten, dass keine konkreten Zahlen festgelegt wurden. „Eine solche Zielmarke für 2025 wäre aus der Luft gegriffen. Realistische Vorgaben können erst in einigen Jahren gemacht werden, wenn absehbar ist, ob sich die Kunden verstärkt für alternativ angetriebene Fahrzeuge entscheiden“, erklärte VDA-Präsident Matthias Wissmann. Besorgniserregend sei, dass es der EU nicht gelinge, einen kraftvollen Impuls für die technologische Entwicklung zu setzen, hieß es heim Verband der Automobilindustrie weiter.
In Industriekreisen hieß es, man wolle nun erst einmal selbst ausrechnen, welche Auswirkungen konkrete Zielvorgaben für die CO2-Bilanz der Fahrzeugflotten hätten. Unter der Hand hieß es jedoch auch, der Kompromiss schaffe für die Autohersteller keine Anreize für umweltfreundliche Innovationen.
Der europäische Autobranchenverband Acea begrüßte die Rückkehr zu Supercredits. Der Verband wünscht sich aber eine noch stärkere Anrechnung umweltfreundlicher Autos wie Elektrofahrzeuge, um ihre Entwicklung zu beflügeln.
Kritik kam vom Verkehrsclub Deutschland (VCD). Der Verband nannte das Ergebnis ein „Einknicken vor der deutschen Autolobby“. Die Kompromissformel lasse „Schlupflöcher und Rechentricks“ in Form von Supercredits zu. „Die Bundesregierung hat sich zum Handlanger der Premiumhersteller BMW und Daimler gemacht und die Aufweichungen des Grenzwerts erreicht“, sagte der VCD-Vorsitzende Michael Ziesak.
Auch die Chefin der Grünen im Europaparlament, Rebecca Harms, beklagte: „Merkel und Co sehen Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit noch immer fälschlicherweise als Widerspruch. Sie folgen damit der Lobbyarbeit der Automobil-Hersteller.“ Der Nabu hält den Kompromiss für unzureichend. „Es fehle vor allem ein konkretes Langfristziel für das Jahr 2025“, erklärte der Verband. Zudem sei das Bonussystem viel zu großzügig ausgelegt.
Die Umweltorganisation Transport and Environment begrüßte das Ergebnis. Nach Schätzungen der Organisation könnte sich der durchschnittliche Spritverbrauch von derzeit sechs Liter je hundert Kilometer bis zum Jahr 2025 halbieren. Die Umweltschützer klagten jedoch, auf Druck gerade der deutschen Autobranche mit ihren schweren Oberklasse-Wagen, seien die Pläne abgeschwächt worden.
Die Verhandlungspartner einigten sich in der Nacht darauf, dass Europa sich für das Jahr 2025 ein neues CO2-Sparziel für Pkw setzen soll - das muss aber erst noch ausgehandelt werden. Derzeit gilt ein Zielwert von 130 Gramm CO2 pro Kilometer. Bis zum Jahr 2020 soll der durchschnittliche Ausstoß europäischer Neuwagen bei 95 Gramm CO2 pro Kilometer liegen.
Erleichtert wird der Weg zu den Zielmarken durch die sogenannten Supercredits. Jedes Auto, das weniger als 50 Gramm CO2 pro Kilometer ausstößt, zählt in der CO2-Bilanz der Hersteller mehrfach. Nach der bisherigen Regel gibt es bis 2015 Supercredits, danach laufen sie aus. Doch 2020 sollen sie laut Verhandlungsergebnis wieder eingeführt werden, 2023 liefe die Regelung dann erneut aus.
Die Einigung steht noch unter Vorbehalt: Als verlässlich kann der Beschluss erst gelten, wenn die Botschafter der 27 EU-Staaten ihn bei einer Sitzung am Donnerstag durchwinken. Denn die CO2-Vorgaben sind heiß umstritten. Auch das Europaparlament und die EU-Minister müssen noch grünes Licht geben.