EU-Schuldenkrise eskaliert: Irland ist „Ramsch“
Berlin/Brüssel/Dublin (dpa) - In der zunehmend bedrohlichen EU-Schuldenkrise wächst der Druck auf Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre europäischen Partner: Mit deutlichen Worten forderte der IWF die EU auf, den Streit um eine Beteiligung der Banken an der finanziellen Rettung Griechenlands zu beenden.
Das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) beklagt den „Wankelmut der Politik“ und verlangt sogar eine Beistandsgarantie der Bundesregierung für alle Euroländer. Derweil zweifelt die Ratingagentur Moody's nun auch an der Kreditwürdigkeit Irlands und stufte die grüne Insel nach Griechenland und Portugal auf „Ramschniveau“ ab. Die Agentur Fitch senkte die Bewertung der griechischen Bonität um drei Schritte. Kritik an den bisher diskutierten Plänen zur Euro-Rettung kam von Bundesbankpräsident Jens Weidmann.
Der IWF, der an allen drei laufenden EU-Hilfsprogrammen für Griechenland, Portugal und Irland beteiligt ist, bezeichnete eine umfassende Beteiligung des privaten Sektors ausdrücklich als angebracht. Die darüber in der Öffentlichkeit geführte Debatte entwickele sich aber „zu einem ernsten Problem für die Glaubwürdigkeit des Hilfsprogramms“, stellte der IWF in einem am Mittwoch in Washington veröffentlichten Bericht fest.
Der Chef des HWWI, Thomas Straubhaar, empfahl, die bestehenden Rettungsschirme ohne Begrenzung so sehr zu vergrößern, dass es an der Hilfsbereitschaft der EU zugunsten aller Risikokandidaten keinen Zweifel gebe. „Damit die Politik nicht Getriebener der Märkte ist, muss die EU klar sagen: Weder wollen noch können wir ein Land in den Bankrott gehen lassen“, sagte er dem Bremer „Weser-Kurier“ (Donnerstagausgabe).
Die Verantwortung für die wachsenden Probleme hochverschuldeter Länder am Finanzmarkt sieht Straubhaar bei der Politik. „Der Wankelmut der Politik war eine Einladung an Spekulanten, zu testen, wie man bei einem Angriff auf Italien reagiert.“ Ein klares Signal könnte die Märkte beruhigen, so Straubhaar. „Der französische Präsident Sarkozy und Bundeskanzlerin Merkel müssten sagen: Deutschland und Frankreich garantieren mit den anderen Euro-Ländern zusammen, dass kein Euro-Land pleite geht.“
Bundesbank-Chef Weidmann bewertete die von der Bundesregierung betriebene Beteiligung von Banken und Versicherungen an den Kosten der Rettung klammer Staaten wie Griechenland als problematisch. In einem Interview der Wochenzeitung „Die Zeit“ sprach sich Weidmann auch dagegen aus, die Zinsen auf die Rettungskredite zu senken oder dem europäischen Rettungsfonds zu erlauben, Staatsanleihen der Krisenländer zu kaufen, so wie es Brüssel vorschwebt. „Das hätte hohe Kosten, einen geringen Nutzen und gefährliche Nebenwirkungen zur Folge.“
Nach Griechenland und Portugal wird auch für Irland die Luft immer dünner: Ein solch verheerendes Urteil, wie die Abstufung von Moody's, macht es für das ohnehin hochverschuldete Land erheblich schwieriger und teurer, an frisches Geld zu gelangen.
Neue Hiobsbotschaft auch für Griechenland: Die Ratingagentur Fitch stufte die Kreditwürdigkeit der Griechen gleich um drei Stufen herab. Die Note werde von bisher „B+“ auf „CCC“ reduziert, teilte Fitch mit. EU und Währungsfonds hätten noch kein umfassend finanziertes und glaubwürdiges zweites Hilfsprogramm aufgelegt. Zudem sorge die mögliche Beteiligung des privaten Sektors an einem zweiten Hilfspaket für zunehmende Verunsicherung. Die beiden anderen Ratingagentur Standard & Poor's und Moody's hatten schon früher ihre Noten auf ein vergleichbares Niveau reduziert.
Ein für diesen Freitag erwarteter Sondergipfel der 17 Euro-Staats- und Regierungschefs wird nach dpa-Informationen nicht mehr diese Woche stattfinden. Möglich sei nun ein Termin nach dem Wochenende, hieß es am Mittwoch zuverlässig in Brüssel. Offiziell äußerte sich die EU nicht dazu.
Ungeachtet der zugespitzten Lage steht die Bundesregierung einem solchen Gipfel zurückhaltend gegenüber. Der Sprecher von Finanzminister Wolfgang Schäuble, Martin Kotthaus, wiederholte am Mittwoch lediglich Aussagen seines Chefs vom Vortag. Demnach haben die Euro-Finanzminister bereits die nötigen Maßnahmen für ein neues Griechenlandpaket auf den Weg gebracht. Laut EU-Kommission steht nach dem Treffen der europäischen Finanzminister vom Wochenbeginn nun die Arbeit an einem zweiten griechischen Rettungspaket und die Aufrüstung des europäischen Krisenfonds für klamme Eurostaaten (EFSF) im Vordergrund.
Die Euro-Kassenhüter hatten beschlossen, dass der Rettungsfonds im Kampf gegen die Schuldenkrise neue Aufgaben bekommen soll. EU-Währungskommissar Olli Rehn schloss nicht aus, dass der EFSF-Fonds künftig den Kauf von Staatsanleihen von Privatgläubigern finanzieren oder Schuldenländern den Rückkauf eigener Anleihen ermöglichen könnte. Dies galt bislang als Tabu.
Anleihen der drei Krisenländer Griechenland, Irland und Portugal sind derzeit am Markt zu Schnäppchenpreisen zu haben: So werden griechische Anleihen mit 10-jähriger Laufzeit mit gut 55 Prozent ihres Nennwertes gehandelt. Sprich: Für eine Anleihe, für die der Investor einmal 100-Euro bezahlt hat, bekommt er derzeit lediglich 55 Euro zurück - ein Rückkauf solcher Anleihen entspräche demnach faktisch einem 45-prozentigen Schuldenschnitt. Ähnlich billig sind Anleihen aus Irland (knapp 58 Prozent bei 10 Jahren Laufzeit) und Portugal (knapp 56 Prozent) zu haben.