EU verschärft Kapitalregeln für Banken
Brüssel (dpa) - Die Banken in Europa müssen ihre Geschäfte künftig mit mehr Eigenkapital absichern, um besser gegen Krisen gewappnet zu sein. Auf solch schärfere Kapitalregeln für die 8300 Banken und Kreditinstitute in der EU haben sich die EU-Finanzminister am Dienstag in Brüssel einstimmig verständigt.
Das sagte die dänische Wirtschaftsministerin Margrethe Vestager, die derzeit die Treffen leitet, nach der Debatte. Die neuen Regeln sollen vom 1. Januar 2013 an gelten und weltweite Schocks an den Finanzmärkten wie nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers 2008 verhindern. „Es ist auch ungeheuer wichtig, um die Lehren aus der Finanz- und Bankenkrise zu ziehen“, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).
Nach einem monatelangen Tauziehen kam die Einigung nur zustande, weil Großbritannien seine Blockade aufgab. Die britische Regierung will den wichtigen Finanzplatz London stärken. Auf ihren Druck hin erhalten die nationalen Aufseher mehr Spielraum: National sind höhere Kapitalpuffer als in den sogenannten „Basel-III-Regeln“ erlaubt.
„Die britische Regierung kann sich soweit einverstanden zeigen“, sagte Finanzminister George Osborne. „Wir können jetzt auch mit Banken umgehen, von denen man bisher sagen musste: Too big to fail (sinngemäß: zu groß, um sie scheitern zu lassen)“. Schäuble lobte: „Alle Beteiligten haben am Schluss sich bereiterklärt, die nötigen Beiträge zu Kompromissen zu finden und [nun] haben wir auch eine gemeinsame Position.“
Im Mittelpunkt der neuen Regeln steht das harte Kernkapital, das sich vor allem aus Aktien und einbehaltenen Gewinnen zusammensetzt und unmittelbar haftbar ist. Es gilt als Puffer, damit Banken Verluste ausgleichen können. Bislang mussten die Kreditinstitute nur zwei Prozent ihrer riskanten Geschäfte mit hartem Kernkapital unterlegen. Bis zum Jahr 2019 werden maximal sieben Prozent vorgeschrieben.
Als Kompromiss dürfen die nationalen Aufseher ihren Banken statt der in der ganzen EU festgeschrieben 7 Prozent ein Kapitalpolster von bis zu 12 Prozent im eigenen Land abverlangen. Durch ein ausgeklügeltes Kontrollsystem soll die EU aber eingreifen können, wenn einzelne Länder zu hohe Anforderungen verlangen.
Nach Berechnungen der EU-Kommission müssen die Banken sich bis 2015 für die zusätzlichen Kapitalpolster insgesamt 84 Milliarden Euro Eigenmittel beschaffen, bis 2019 rund 460 Milliarden Euro.
Nach der Einigung der Staaten muss nun noch ein Kompromiss mit dem Europaparlament ausgehandelt werden. Der Wirtschafts- und Währungsausschuss des Parlaments hatte sich am Vorabend für noch höhere Kapitalpuffer für die großen Banken ausgesprochen und verlangt Nachbesserungen. Die Einigung soll bis Sommer stehen.
Die Zeit drängt, da die Kapitalvorschriften im Januar in Kraft treten sollen. Die Verhandlungen mit dem Parlament wollen EU-Länder und Kommission nutzen, um Änderungen im Detail einzubringen, die ihnen wichtig sind.
Mit den Regeln zieht die EU die Lehre aus der Finanzkrise, in der viele Institute nach Milliardenverlusten schwankten und vom Staat gerettet werden mussten. Mit der ausgesprochen umfangreichen Gesetzgebung setzt die EU das internationale „Basel-III-Abkommen“ für strengere Eigenkapitalvorgaben von Banken um.
Die Europäische Zentralbank (EZB) und die Europäische Bankenaufsicht EBA äußerten sich zufrieden. EZB-Vizepräsident Vitor Constancio sprach in Brüssel von einem „wichtigen Rechtsakt für Europa“. EBA-Chef Andrea Enria mahnte in der Sitzung die EU-Finanzminister, es sei wichtig, ein Gleichgewicht zu finden.
In Deutschland begrüßte der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) die Ergebnisse. „Der gefundene Kompromiss ist tragbar“, sagte DSGV-Präsident Heinrich Haasis. Es sei gut, dass nationale Anforderungen berücksichtigt worden seien.