Deutsche Wirtschaft unter Dampf: Euroraum stagniert
Frankfurt/Luxemburg (dpa) - Europas Konjunkturlokomotive Deutschland nimmt wieder Fahrt auf. Nach dem Dämpfer zum Jahresende ist die Wirtschaft im Auftaktquartal 2012 überraschend kräftig gewachsen, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Dienstag mitteilte.
Die Konjunktur in den Euroländern insgesamt lahmt hingegen.
Das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte gegenüber dem Vorquartal preis-, saison- und kalenderbereinigt um 0,5 Prozent zu. Volkswirte hatten - wenn überhaupt - ein kleineres Plus von bis zu 0,2 Prozent erwartet.
„Die deutsche Volkswirtschaft präsentiert sich trotz weiterbestehender Risiken insbesondere aus dem europäischen Umfeld in guter Verfassung“, befand Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP).
Positive Impulse lieferte von Januar bis März vor allem der Export, obwohl die Nachfrage aus einigen Euro-Krisenländern schwächelte. „Entscheidend für den Konjunkturzyklus ist nicht die Eurozone, sondern die USA und China“, erklärte Helaba-Chefvolkswirtin Gertrud Traud. Die USA wüchsen relativ kräftig, auch China werde im Laufe des Jahres wieder mehr an Schwung gewinnen.
Anton Börner, Präsident des Außenhandelsverbandes BGA, erklärte: „Ein weiteres Mal hat die deutsche Außenwirtschaft bewiesen, dass sie der Wachstumstreiber der gesamten deutschen Wirtschaft ist.“ Auch der private Binnenkonsum lag über dem Niveau des Vorquartals und konnte so das Minus bei den Investitionen teilweise kompensieren.
Ökonomen sehen gerade beim privaten Konsum Luft nach oben: „Der private Verbrauch wird das Wachstum in Deutschland spürbar anschieben“, erklärte Ferdinand Fichtner, Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW/Berlin). Nach seiner Einschätzung wird sich die Belebung fortsetzen, vor allem die gute Lage auf dem Arbeitsmarkt stütze die deutsche Wirtschaft.
Im Vergleich zum ersten Quartal 2011 legte die Wirtschaftsleistung in Deutschland preisbereinigt um 1,7 Prozent zu, auch dank des zusätzlichen Arbeitstages im Schaltjahr 2012. Kalenderbereinigt fiel das Plus mit 1,2 Prozent schwächer aus.
Im vierten Quartal 2011 hatte die deutsche Wirtschaft noch unter der weltweiten Flaute gelitten und war um 0,2 Prozent geschrumpft. Für das Gesamtjahr 2011 bestätigte das Statistische Bundesamt am Dienstag ein BIP-Wachstum von 3,0 Prozent.
Nach Überzeugung von Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater ist nach den überraschend guten Zahlen für das erste Quartal nun sogar ein Wachstum von einem Prozent in diesem Jahr drin: „Die deutsche Konjunktur ist zur Zeit unkaputtbar.“ Damit halte Deutschland sogar die Euroland-Rezession auf.
Nach einer ersten Schätzung der Europäischen Statistikbehörde Eurostat in Luxemburg kam Deutschlands Nachbar Frankreich im ersten Quartal nicht vom Fleck. Dort herrschte wie in der Eurozone insgesamt mit 0,0 Prozent zum Vorquartal Stagnation. Schlusslicht Italien musste ein Minus von 0,8 Prozent hinnehmen, im kriselnden Spanien sank die Wirtschaftsleistung wie im Vierteljahr zuvor um 0,3 Prozent.
Ökonomen betonen, die Unsicherheit bleibe groß und die Schuldenkrise könnte jederzeit auch die deutsche Konjunktur wieder belasten. Ein Indiz: Die Konjunkturerwartungen deutscher Finanzexperten fielen im Mai erstmals seit fast einem halben Jahr wieder pessimistischer aus.
Der Indikator des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW/Mannheim) für Deutschland sank deutlich um 12,6 auf 10,8 Punkte. Das Regierungschaos in Griechenland und der Regierungswechsel in Frankreich nähren die Sorge, dass die Europäer die Schuldenkrise nicht mehr entschlossen bekämpfen könnten.