EU will mehr Reformfortschritte Athens
Brüssel/Athen (dpa) - Die EU-Partner sind verärgert über mangelnde Reformen Griechenlands und die schleppenden Verhandlungen mit den Banken über einen Schuldenschnitt.
Denn von einem deutlichen Schuldennachlass hängt die Bereitschaft der internationalen Geldgeber für dringend benötigte neue Hilfsprogramme ab. Athen hofft dennoch weiter auf eine kurzfristige Einigung mit privaten Gläubigern vor dem EU-Gipfel am kommenden Montag (30.1.).
Wenige Tage vor diesem Sondertreffen der Staats- und Regierungschefs in Brüssel zeichnete sich eine Einigung über einen neuen Fiskalpakt der EU für mehr Haushaltsdisziplin ab. Unklar sind aber noch Details zum Umgang mit Defizitsündern. Dem Vorstoß von Italien und Internationalem Währungsfonds (IWF) für eine deutliche Ausweitung des künftigen Euro-Rettungsfonds ESM bis hin zu einer Verdoppelung erteilten die EU-Finanzminister am Dienstag jedoch zunächst eine Absage.
Die Konjunkturaussichten im Euroraum trüben sich wegen der anhaltenden Schuldenkrise ein. Nach der Weltbank strich auch der IWF seine Wachstumsprognose zusammen. Deutschland kommt demnach 2012 auf ein mageres Plus, die Eurozone schlittert dagegen in die Rezession.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) pocht beim Fiskalpakt auf ein Klagerecht der EU-Kommission gegen Mitgliedsländer, die ihre nach deutschem Vorbild in den Verfassungen festgesetzten Schuldenbremsen nicht einhalten. Nach dem bisherigen Vertragsentwurf kann die Kommission nicht direkt beim Europäischen Gerichtshof klagen. Merkel will deshalb nun ein neues Gutachten der EU-Kommission erarbeiten lassen. Als nicht optimal sieht die Bundesregierung die Alternative, dass sich Mitglieder gegenseitig verklagen müssten.
Zu den griechischen Reformanstrengungen sagte Schwedens Finanzminister Anders Borg in Brüssel: „Es zeigt sich, dass die Umsetzung der Strukturreformen missglückt ist.“ Bei den Finanzreformen habe Griechenland ebenfalls nicht wie gefordert gehandelt. Nach Einschätzung des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble (CDU) sind griechische Regierung und Gläubiger noch nicht am Ziel. Der Schuldenberg Athens müsse bis zum Ende des Jahrzehnts auf 120 Prozent der Wirtschaftsleistung reduziert werden, sagte Schäuble.
Der Internationale Bankenverband IIF warnte vor einer erzwungenen Umschuldung der Verbindlichkeiten Griechenlands. Einige in der EU unterschätzten wohl die mit einem solchen Schritt verbundenen Risiken, sagte IIF-Geschäftsführer Charles Dallara in Zürich. Dallara verhandelt im Auftrag der wichtigsten Banken, von Versicherern und Hedge-Fonds mit der Regierung in Athen über einen freiwilligen Schuldenschnitt. Eine verpflichtende Umschuldung wäre denkbar, wenn sich nicht genügend Banken freiwillig beteiligen.
Die griechische Regierung kämpft an zwei Fronten, um das zweite Rettungspaket mit einem Umfang von 130 Milliarden Euro zu sichern und damit der Zahlungsunfähigkeit zu entgehen. Mit den Banken verhandelt sie über den Schuldenschnitt in Höhe von 100 Milliarden Euro. Der Troika von EU-Kommission, IWF und Europäischer Zentralbank (EZB) muss sie glaubhaft Reformanstrengungen nachweisen. Der Troika-Bericht wird für Anfang Februar erwartet.
Der Chef der Euro-Gruppe, Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker, forderte nach Abschluss der Beratungen in der Nacht, nach dem Schuldenschnitt müsse der Zinssatz für neue griechische Anleihen „klar unter vier Prozent“ liegen. IWF und wichtige EU-Staaten wollen diesen Zinssatz auf maximal 3,5 Prozent drücken. Sonst gebe es kaum Chancen, dass Griechenland wieder auf eigenen Beinen stehen kann.
Vor allem Deutschland pocht auf einen scharfen Fiskalpakt in der EU, um neue Schulden-Sündenfälle zu verhindern. Der Pakt soll beim Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs gebilligt werden, die Unterschrift ist für März geplant. Großbritannien sperrt sich bislang gegen rechtliche Vorgaben und will bei dem Sparpakt definitiv nicht mitmachen.
Schäuble sagte nun in Brüssel: „Beim Fiskalpakt ziehen am Ende alle mit.“ Auch für Großbritannien werde man eine Lösung finden. Der Vertrag enthält rechtlich verbindliche Regeln zum Defizitabbau und zur Verankerung von nationalen Schuldenbremsen. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle unterstrich: „Ein Kernpunkt ist für uns, dass die Schuldenbremse in allen Ländern umgesetzt wird.“
In der Nacht zum Dienstag verständigten sich die Finanzminister des Eurogebiets auf den Vertrag für den ständigen Rettungsschirm ESM. Der dauerhafte Hilfsfonds mit einem Barkapital von 80 Milliarden Euro startet am 1. Juli - ein Jahr früher als ursprünglich geplant. Er hat einen Umfang von 500 Milliarden Euro. Merkel bekräftigte bei der Sitzung der Unionsfraktion in Berlin nach Teilnehmerangaben, derzeit gebe es keinen Anlass für eine Aufstockung des ESM. Im März wollen die EU-Staats- und Regierungschefs prüfen, ob der Umfang reicht.