Euro-Schuldenkrise droht zu eskalieren
Brüssel/Frankfurt (dpa) - Teufelskreis Schuldenkrise: Die Risikoaufschläge für italienische und spanische Anleihen steigen rasant und haben am Mittwoch zeitweise Rekordstände erreicht. Gleichzeitig erschwert die sich abschwächende Konjunktur eine Haushaltssanierung der schuldengeplagten Euro-Staaten.
Die Finanzmärkte reagierten darauf mit nahezu panischen Verkäufen. Der Eurokurs fiel seit fast zwei Jahren wieder unter die Marke von 1,24 Dollar. Die Börsen blieben auf Talfahrt: Der Dax büßte knapp gut 2 Prozent ein.
EU-Kommissionschef José Manuel Barroso strebt im Kampf gegen die Schuldenkrise an, die Wirtschafts- und Währungsunion zu vertiefen. Bereits beim EU-Gipfel Ende Juni soll es Entscheidungen über einen Fahrplan geben, sagte Barroso in Brüssel. Am Ende könne es beispielsweise eine „Bank-Union“ in der Eurozone mit einer gemeinsamen Aufsicht geben. Laut Experten gehören auch die umstrittenen, bisher von Deutschland bekämpften gemeinsamen Euro-Anleihen (Eurobonds) in dieses Langfrist-Vorhaben.
Auch direkte Bankenhilfen des neuen ständigen Rettungsfonds ESM könnten möglich sein. Dafür müsste allerdings der zwischenstaatliche ESM-Vertrag geändert und dann in den Mitgliedstaaten neu gebilligt (ratifiziert) werden - das wäre ein zeitaufwendiges Verfahren.
Neben den am 17. Juni anstehenden Wahlen in Griechenland steht derzeit vor allem der spanische Bankensektor im Blick der Märkte. Mit faulen Immobilienkrediten belastete Geldhäuser wie die Bankia stellen eine massive Gefahr für den angeschlagenen spanischen Staatshaushalt dar. Über eine mögliche Hilfe aus dem dauerhaften Rettungsmechanismus ESM wird deshalb heftig diskutiert.
Die Rendite für zehnjährige spanische Staatsanleihen stieg teilweise bis auf 6,679 Prozent. Der spanische Wirtschaftsminister Luis de Guindos räumte ein, das derzeitige Niveau der Risikoaufschläge sei „auf die Dauer nicht tragbar“.
Die EU-Kommission will Spanien jetzt mehr Zeit zum Erreichen der Defizitziele einräumen. EU-Währungskommissar Olli Rehn schlägt vor, dass Madrid erst 2014 - und damit ein Jahr später als ursprünglich verlangt - sein Defizit wieder unter Kontrolle haben muss. Madrid hätte damit auch mehr Luft, der angeschlagenen Großbank Bankia unter die Arme zu greifen. Rehn sagt, es sei noch nicht klar, wie sich die Bankia-Rettung auf das Defizit auswirken werde. In Brüssel schließen Diplomaten nicht aus, dass Madrid schließlich doch unter den Rettungsschirm schlüpfen könnte. Bisher gibt es aber keinen Antrag.
Durch die angespannte Lage in Spanien wird auch Italien belastet. Das Land lieferte am Mittwoch einen enttäuschenden Auftritt am Anleihemarkt ab. Bei einer Versteigerung neuer Papiere mit fünf- und zehnjähriger Laufzeit wurde das Maximalziel deutlich verfehlt. Die Zinsen zogen spürbar an. Die Rendite stieg bis auf 6,0 Prozent.
Griechenland ist nach Einschätzung der EU-Kommission weiter von der Staatspleite bedroht. Fest vereinbarte Milliardenzahlungen internationaler Geldgeber könnten nur weiter fließen, falls Reformen besser in die Tat umgesetzt würden, hieß es. So müssten in den kommenden Monaten zusätzliche Sparmaßnahmen für das nächste und übernächste Jahr auf den Weg gebracht werden. Die Behörde wartet für weitere Schritte erst einmal die Neuwahlen am 17. Juni ab.
Durch die erneute Eskalation der Schuldenkrise im Euroraum verfinstern sich die Konjunkturaussichten weiter. Die schwache Wirtschaftsentwicklung erschwert auch den Defizitabbau. Die von der EU-Kommission veröffentlichten Stimmungsindikatoren haben sich überraschend deutlich eingetrübt. Experten warnen vor einem wirtschaftlichen Schwächeanfall im Sommer.
In den nächsten Wochen stehen der Eurozone weitere Prüfungen bevor. So steht an diesem Donnerstag das Referendum über den Fiskalpakt in Irland an. Ein Scheitern wird zwar nicht erwartet, ist aber auch nicht ganz ausgeschlossen.
Auch aus dem spanischen Bankensektor könnten weitere Hiobsbotschaften kommen. Besonders kritisch sind die Wahlen in Griechenland am 17. Juni. Sollten die Befürworter des Sparprogramms keine Mehrheit erhalten, droht erstmals ein Austritt eines Landes aus der Währungsunion. Die Folgen für die Finanzmärkte weltweit sind unabsehbar.