Eurogruppe will neue Eskalation von Griechenland-Streit verhindern
Amsterdam (dpa) - Der Streit um den richtigen Kurs in der griechischen Schuldenkrise spitzt sich wieder zu. Die EU-Institutionen wollen aber eine neue Eskalation und damit eine neue „Grexit“- Debatte unbedingt verhindern.
Erst im vergangenen Jahr waren die Europartner soweit gegangen, Griechenland in beispielloser Weise mit einem zeitweiligen Rauswurf aus der Eurozone zu drohen.
Nun geht es um Rentenkürzungen, Steuerreformen und ein zusätzliches „Sparpaket auf Vorrat“ - als Vorbedingung für neue Milliardenhilfen.
Warum steigt die Spannung im griechischen Schuldendrama?
Die Geldgeber und die griechische Regierung von Premier Alexis Tsipras ringen um ein Reformpaket - es ist Teil der ersten Überprüfung des Rettungsprogramms von bis zu 86 Milliarden Euro. Die Zeit läuft ab, denn allein im Juli muss Athen insgesamt 2,7 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die Europäische Zentralbank (EZB) zurückzahlen. Die Regierung hat das Geld aber nicht.
Es droht also einmal mehr die Staatspleite?
Falls die Überprüfung des Rettungsprogramms scheitert, können keine neue Kredite aus dem Eurorettungsschirm ESM nach Athen fließen. Im Gespräch ist eine Summe von etwa fünf Milliarden Euro. Damit wäre das hoch verschuldete Land erst einmal über den Berg.
Beteiligte werden nervös - gibt es noch andere Gründe?
Die ganze Konstruktion des im Sommer 2015 aufgelegten Rettungsprogramms ist höchst kompliziert. Der Weltwährungsfonds IWF ist finanziell immer noch nicht an Bord. Chefin Christine Lagarde fordert als Vorbedingung weitere Schuldenerleichterungen für Athen. Diese Erleichterungen - es können beispielsweise Zinsstundungen oder verlängerte Kreditlaufzeiten sein - sind aber unter den Geldgeberinstitutionen und den Eurostaaten umstritten. Eine klare Linie ist bisher kaum erkennbar, ein Schuldenschnitt bleibt jedoch ausgeschlossen. Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem hat jetzt offiziell die Aufgabe, Kompromisslinien auszuloten.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble pocht darauf, dass der Weltwährungsfonds mitzieht?
So ist es. Das verlange der Deutsche Bundestag, sagte der CDU-Politiker unlängst in Washington. Ein Diplomat ergänzt, mehrere Eurostaaten könnten ohne eine IWF-Beteiligung überhaupt keinen neuen Griechenland-Hilfen zustimmen. Die Beteiligten drohen deshalb - schon aus Verfahrensgründen -, in eine gefährliche Sackgasse zu geraten. „Nichts ist vereinbart, bevor alles vereinbart ist“, warnt IWF-Chefin Lagarde.
Umstritten ist auch ein neues „Sparprogramm auf Vorrat“ mit einem Umfang von rund 3,5 Milliarden Euro. Was ist das?
Es muss von Griechenland vorbereitet und notfalls auch in die Tat umgesetzt werden, falls Haushaltsziele in der Zukunft nicht erreicht werden. Vor allem Lagarde pocht darauf. Die Euro-Partner fordern diese Extraleistung als Vorbedingung für die Auszahlung weiterer Milliardenhilfen. Details müssen noch verhandelt werden.
Bei den Zahlen gibt es einen Lichtblick?
Ja. Relevant für die Geldgeber ist vor allem der sogenannte Primärüberschuss, bei dem der Schuldendienst ausgeblendet wird. Der Wert für das vergangene Jahr wird besser ausfallen als erwartet: 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung. Im übernächsten Jahr müssen es laut Programm schon 3,5 Prozent sein.
Wann kann es eine Einigung über das Reformpaket geben?
Falls es in den nächsten Tagen deutliche Fortschritte bei den Verhandlungen zwischen Geldgebern und der Athener Regierung gibt, soll es am Donnerstag kommender Woche (28.4.) ein Extratreffen der Eurogruppe geben. Ob es dann schon einen Kompromiss geben kann, ist aber laut Diplomaten offen. Zu lange wollen die Minister aber nicht mehr warten. „Wir wollen dieses Jahr alle einen heißen griechischen Sommer vermeiden“, meint der finnische Ressortchef Alexander Stubb.