EZB senkt die Zinsen: Draghi warnt vor Rezesssion

Frankfurt (dpa) - Der neue Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, hat die überraschende Leitzinssenkung mit einer drohenden "milden Rezession" begründet. "Es gibt verstärkte Abwärtsrisiken für das Wirtschaftswachstum in der Eurozone".

Das sagte Draghi auf seiner ersten Pressekonferenz in seinem neuen Amt. Es sei eine "erhebliche" Senkung der Wachstumsprognosen zu erwarten. Das schwächere Wirtschaftswachstum dürfte auch die Inflation dämpfen.

Der EZB-Rat hatte zuvor den Leitzins überraschend um 0,25 Prozentpunkte auf 1,25 Prozent reduziert. Diese Entscheidung ist laut Draghi einstimmig gefallen. Volkswirte hatten hingegen mit einem unveränderten Zins gerechnet. Über mögliche weitere Zinssenkungen wollte Draghi keine Aussagen machen.

"Wir sind nie vorherbestimmt." Nach Einschätzung der Landesbank Hessen-Thüringen hat die EZB mit ihrem pessimistischen Wachstumsausblick die Tür für eine weitere Zinssenkung offen gelassen. Laut Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) scheint die EZB unter der Führung ihres neuen Präsidenten Draghi ein Stück weit "amerikanischer" zu werden. Die Bedeutung der Preisstabilität könnte zugunsten von Wachstum und Beschäftigung sinken.

Inflationsgefahren sieht Draghi auch nach der Zinssenkung nicht. In den nächsten Monaten dürfte die Inflationsrate zwar über der Marke von zwei Prozent bleiben. Wegen des deutlich schwächeren Wachstums dürfte sie im kommenden Jahr aber spürbar zurückgehen und unter zwei Prozent sinken. Derzeit beträgt sie 3,0 Prozent. Die Risiken für den Inflationsausblick seien ausgewogen.

Die aktuellen Ereignisse in Griechenland kommentierte Draghi vorsichtig. Die politische Entwicklung entwickle sich schnell und sei kaum vorhersehbar. Die EZB beobachte die Situation aber genau. Die beschlossenen Reformmaßnahmen müssten umgesetzt werden. Auf die Frage eines möglichen Austritts Griechenlands aus dem Euroraum sagte Draghi nur: "Das ist im EU-Vertrag nicht vorgesehen."

Die überraschende Zinssenkung ist nach Einschätzung der Commerzbank in erster Linie auf die zuletzt deutlich gestiegene Unsicherheit zurückzuführen. "Die EZB will vor allem einen Unsicherheits-Schock der Marke Lehman vermeiden", sagte Commerzbank-Experte Michael Schubert. "Angesichts der zuletzt turbulenten Entwicklung ist der Zinsschritt durchaus nachvollziehbar, obwohl wir erst für Dezember damit gerechnet hatten." Unlängst hatte vor allem das geplante Referendum in Griechenland zu den neuen Finanzhilfen für Verwerfungen an den Finanzmärkten gesorgt.

"Alle Länder der Eurozone müssen ihre eingegangenen Verpflichtungen erfüllen", sagte Draghi. Notwendig seien sowohl Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung sowie auch strukturelle Maßnahmen. Die Beschlüsse des jüngsten Euro-Gipfels müssten rasch umgesetzt werden. Draghi signalisierte, dass die besonders in Deutschland umstrittenen Anleihenkäufe zuächst fortgesetzt werden sollen. Er betonte jedoch, das Programm sei vorübergehend und in seinem Umfang begrenzt. Die Notenbank habe nur die Aufgabe für Preisstabilität zu sorgen.

Mit den Sondermaßnahmen wolle die EZB sicherstellen, dass die Geldpolitik funktioniere, so Draghi. Mit Blick auf Italien sagte der Notenbankchef, dass keiner die EZB zu Anleihenkäufe zwingen könne. Die Probleme der Finanzmärkte könnten nur durch die Staaten gelöst werden und nicht durch die EZB. Er habe eine "große Bewunderung" für die Bundesbank-Tradition, sagte Draghi.

Der Eurokurs reagierte auf die Zinssenkung zunächst mit Kursverlusten. Zuletzt erholte sich der Euro wieder. Eine ähnliche Bewegungen war an den Aktienmärkten zu beobachten.

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