EZB trotz Schuldenkrise auf Zinserhöhungskurs
Frankfurt/Main (dpa) - Europas Währungshüter setzen erneut ein Zeichen gegen ausufernde Inflation. Zum zweiten Mal in diesem Jahr erhöht die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen - und mindestens ein weiterer Schritt nach oben in diesem Jahr gilt als wahrscheinlich.
Am Donnerstag setzte der EZB-Rat bei seiner Sitzung in Frankfurt den Leitzins im Euro-Raum wie erwartet um 0,25 Prozentpunkte auf 1,5 Prozent nach oben. Ganz abkoppeln von der Krise kann sich die EZB jedoch nicht: Notenbank-Präsident Jean-Claude Trichet kündigte an, die EZB werde künftig auch portugiesische Wertpapiere mit geringer Bonität als Sicherheiten für Zentralbankgeld akzeptieren. Ähnliches gilt seit geraumer Zeit schon für Griechenland und Irland. Normalerweise müssen Staatspapiere eine gewisse Bonitätsnote im Investment-Grade-Bereich aufweisen, damit Banken sie als Sicherheit hinterlegen können.
Die jüngste Zinserhöhung begründete Trichet mit der zuletzt stark gestiegenen Inflation - wohl wissend, dass teures Geld Gift ist für die lahmende Wirtschaft von Pleitekandidaten wie Griechenland und Portugal. „Wir sind Experten für den gesamten Euro-Raum.“
In den vergangenen Monaten zogen vor allem die Preise für Energie und Nahrungsmittel kräftig an. Im Juni lag die jährliche Teuerungsrate in den 17 Ländern mit der Euro-Gemeinschaftswährung daher bei 2,7 Prozent und damit deutlich über dem von der EZB formulierten Stabilitätsziel von knapp unter 2 Prozent.
„Wir starten heute keine Serie von Zinserhöhungen“, sagte Trichet. Die EZB werde jedoch die weitere Entwicklung der Teuerung „sehr genau“ beobachten. Diese Formulierung werten Ökonomen als Signal für einen nächsten Zinsschritt in drei Monaten, also im Oktober.
Möglicherweise komme die nächste Zinserhöhung aber auch erst im Dezember, meint Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding. Dafür spräche der anstehende Chefwechsel bei der Notenbank: Im November löst Mario Draghi Trichet als „Mr. Euro“ ab. Der Italiener könnte mit einer Zinserhöhung zur Amtsübernahme ein Zeichen setzen. Denn unter anderem in Deutschland gibt es Vorbehalte, ob auch ein Südländer der Stabilität der gemeinsamen Währung absoluten Vorrang einräumen wird.
Mit dem zweiten kleinen Zinsschritt binnen drei Monaten setzen die Währungshüter ihren allmählichen Ausstieg aus der Krisenpolitik des extrem billigen Geldes fort. Im April war der Leitzins auf 1,25 Prozent angehoben worden. Zuvor hatte der wichtigste Zins zur Versorgung der Kreditwirtschaft mit Zentralbankgeld seit Mai 2009 auf dem Rekordtief von 1,0 Prozent verharrt.
Höhere Zinsen helfen im Kampf gegen die Inflation: Kredite werden tendenziell teurer, das mindert die Neigung von Unternehmen und Verbrauchern, auf Pump zu investieren und zu konsumieren. Da die deutsche Wirtschaft brummt, halten Volkswirte höhere Zinsen schon seit längerem für erforderlich, um eine Überhitzung mit Blasenbildungen an den Märkten zu vermeiden. Die britische Notenbank hält ihren Leitzins unverändert auf dem Rekordtief von 0,5 Prozent.
In Deutschland begrüßten Bankenverbände die Zinsentscheidung. Die behutsame Straffung der Geldpolitik sei der richtige Weg. „Indem die EZB allmählich den Fuß vom Gaspedal nimmt, sorgt sie dafür, dass sie sich nicht mit zu großer Geschwindigkeit in unwegsames Gelände begibt“, ließ Andreas Martin, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), mitteilen.