„Faire Debatte statt Wahlkampf um Strom“
Forscherin Claudia Kemfert sieht andere Gründe für den Preisanstieg als Minister Altmaier.
Berlin. Mit seiner Warnung vor einem erneuten Strompreisanstieg wirbt Umweltminister Peter Altmaier (CDU) für seine Strompreisbremse. Die Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Claudia Kemfert, hält das für unausgegoren.
Frau Kemfert, Umweltminister Peter Altmaier warnt vor einem weiteren starken Strompreisanstieg im Herbst. Ist das realistisch?
Kemfert: Das hängt von den Annahmen ab. Offensichtlich geht der Minister davon aus, dass die erneuerbaren Energien weiter stark ausgebaut werden und gleichzeitig der Börsenpreis für Strom stark sinkt. Dann steigen die Differenzkosten zu der garantieren Einspeisevergütung und damit die EEG-Umlage. Die Frage ist jedoch, warum nicht auch der sinkende Börsenpreis bei den Haushalten ankommen sollte. Das berücksichtigt er nicht.
Altmaier wirbt mit seiner Warnung auch für sein Modell einer kurzfristigen Strompreisbremse. Was halten Sie davon?
Kemfert: Zu unausgegoren und teilweise auch gefährlich. Natürlich brauchen wir eine grundlegende Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Zum Beispiel, ob die Umlage sich noch so starr an der Differenz zum Börsenpreis orientieren kann. Und auch, ob die zahlreichen Ausnahmen für energieintensive Industrien noch berechtigt sind. Aber eine Deckelung der Umlage halte ich für problematisch; sie würde die Energiewende ausbremsen. Schließlich gehören auch die Stromsteuern zu den Preistreibern, auch die Mehrwertsteuer auf die EEG-Umlage. Man könnte zum Beispiel den Grundfreibetrag der Stromsteuer erhöhen, das wäre eine Entlastung.
Für eine so umfassende Betrachtung gibt es im Wahlkampf kaum Zeit und Bereitschaft.
Kemfert: Alle Parteien wollen die Energiewende. Dann sollten sie sich im Sinne der Verbraucher jetzt zusammenraufen und eine faire Debatte führen, statt Wahlkampf um Strom zu führen. Im Moment wird allein der Ökostrom zum Sündenbock für die Preisentwicklung gemacht. Das ist falsch und gefährlich. Hier werden die Menschen gegen die Energiewende in die Irre geführt.