Firmen holen Experten aus der Rente

Viele Unternehmen setzen für befristete Projekte auf das Wissen ihrer ehemaligen Mitarbeiter.

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Stuttgart. Im Ruhestand noch vom Chef angerufen werden? Für so manchen Arbeitnehmer ist das wohl keine allzu verlockende Vorstellung. Andere wiederum würden sich freuen, noch gebraucht zu werden, und gerne mal wieder an ihre alte Wirkungsstätte zurückkehren. Auf eben diese Leute setzen mittlerweile zahlreiche große Unternehmen — und holen sie gezielt für befristete Einsätze zurück.

„Sie haben ein Firmenwissen, das sie so auf dem Markt gar nicht finden“, sagt Christoph Ebeling, Personalmanager bei der Hamburger Otto Group. Das Unternehmen setzt seit 2012 auf Senioren, die als Experten zeitweise an den Schreibtisch zurückkehren. „Diejenigen, die bisher im Einsatz sind, sind meist Experten, die über Jahrzehnte Fachwissen angesammelt haben.“ Aktuell beschäftigt Otto demnach etwa 50 Pensionäre als Senior-Experten.

Damit ist die Gruppe nicht allein. Als einer der Vorreiter gilt der schwäbische Technikkonzern Bosch. Schon 1999 startete dort eine eigene Gesellschaft für Senior-Experten, die Bosch Management Support GmbH (BMS). Mittlerweile sind dort weltweit 1600 Senioren registriert. Sie alle arbeiten zeitlich befristet. Das Honorar orientiert sich am letzten Gehalt. Da die Vergütung über die Jahre hinweg steigt, ist das in den meisten Fällen ein relativ teures Gastspiel.

„Wir müssen voll durch unsere Leistung überzeugen, und das spornt uns Seniorexperten an“, sagt BMS-Geschäftsführer Georg Hanen. Der 61-Jährige, der selbst schon in Rente ist, teilt sich die Stelle mit einem anderen Senior. Der größte Vorteil ist, dass die Experten den Konzern in- und auswendig kennen. Sie sind vom ersten Tag an einsatzbereit. Der Einarbeitungsaufwand entfällt.

Von dieser Einstellung profitieren mittlerweile mehrere Unternehmen. Der Autobauer Daimler etwa kündigte vor gut einem Jahr an, Rentner für Spezialeinsätze zurückzuholen. Daimler hat dazu einen Expertenpool eingerichtet, in dem sich Rentner registrieren lassen können — mitsamt ihrenspeziellen Fähigkeiten und Erfahrungen. Bei Bedarf sollen sie für maximal sechs Monate im Jahr zurückkehren (siehe Kasten).

Nicht jeder sieht das allerdings ausschließlich positiv: „Es wäre geschickter, das Wissen zu vermitteln, bevor die Leute ausscheiden“, gibt eine Sprecherin der IG Metall zu bedenken. „Es muss im Interesse der Firma sein, da eine strategische Personalplanung zu machen.“

Für viele Unternehmen sind ältere Mitarbeiter häufig aber die einzige Alternative. „Wir würden schon junge Leute einstellen“, sagt Jens Fahrion, Geschäftsführer von Fahrion Engineering. Das Unternehmen plant Produktionsanlagen und Werkzeuge für Maschinen- und Fahrzeugbauer. „Aber einen erfahrenen, jungen Projektleiter finden wir nicht.“

Um an qualifizierte Mitarbeiter zu kommen, müssen sich Firmen etwas einfallen lassen. Fahrion holt daher nicht nur Rentner für befristete Projekte zurück, sondern setzt insgesamt gezielt auf die Generation 50 plus. „Studienabgänger können oft nicht auf Augenhöhe mit Auftraggebern kommunizieren“, sagt Fahrion. Zwar seien die Lohnkosten für ältere Projektleiter höher. Das würde aber dadurch wettgemacht, dass sie oft lukrative Folgeaufträge an Land zögen.

Völlig reibungslos läuft die Rückkehr an den alten Arbeitsplatz aber nicht immer. „Neben viel Begeisterung und Loyalität gab es auch eine Erwartungshaltung, mit der wir nicht gerechnet hatten“, sagt Otto-Personalmanager Ebeling. „Es wurde beispielsweise gefragt, ob man den alten Parkplatz zurückbekommen könnte. Aber das können wir leider nicht zusagen.“

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