Zukunft ungewiss Führungskrise bei Thyssenkrupp - Land NRW will sich nicht einmischen
Ex-Chef Hiesinger ist ohne Rückhalt der Krupp-Stiftung. Thomas Kutschaty, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Landtag, forderte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) auf, Thyssenkrupp zur Chefsache zu machen.
Düsseldorf. Trotz der dramatischen Führungskrise beim Thyssenkrupp-Konzern will das Land NRW sich nicht einmischen. „Entscheidungen über die künftige Strategie sind allein Sache des Unternehmens“, sagte Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) beim Stahlgipfel in Düsseldorf.
Klarer positionierte sich Knut Giesler, Bezirksleiter der IG Metall NRW: „Wir erwarten, dass die Krupp-Stiftung den Dialog mit den Arbeitnehmern aufnimmt und ihren Auftrag erfüllt“, so der Gewerkschaftsfunktionär. „Wenn Tarifverträge gebrochen werden, gibt es richtig Ärger.“
Seit Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger vor wenigen Tagen das Handtuch geworfen hat, rumort es gewaltig in dem traditionsreichen Ruhrkonzern mit rund 150 000 Beschäftigten. „Wir sind traurig, enttäuscht und wütend“, heißt es in einem offenen Brief der Mitarbeiter an Ursula Gather, Chefin der Krupp-Stiftung. Die Stiftung habe in ihrem Kernauftrag, das Erbe von Alfried Krupp zu wahren, versagt. Das Vertrauen der Belegschaft in die Stiftung sei nicht nur erschüttert, es sei weg.
Die Mitarbeiter werfen Gather vor, Hiesinger den Rückhalt verweigert zu haben. Der Manager habe bei den Verhandlungen über die Stahlfusion von Thyssenkrupp und Tata gute Ergebnisse erzielt. Es gebe weitreichende Zugeständnisse für die Sicherung der Arbeitsplätze und Standorte.
Für diese Position musste sich Hiesinger in den vergangenen Monaten von Großaktionären immer wieder scharfe Kritik anhören. Insbesondere der schwedische Investor Cevian (er hält 18 Prozent) und der US-Fonds Elliott (knapp drei Prozent) forderten Hiesingers Rücktritt und die Zerschlagung des Mischkonzerns, der nicht nur beim Stahl aktiv ist, sondern auch Aufzüge, Anlagen und U-Boote baut. Trotz der heftigen Angriffe stellte sich Gather als Chefin der Krupp-Stiftung nicht vor Hiesinger. Der reagierte auf das beharrliche Schweigen schließlich mit seinem Rückzug.
Die Stiftung hält 21 Prozent des Konzernkapitals und verwaltet seit 1968 das Erbe von Alfried Krupp. Aus den Erlösen fördert sie Kultur und Wissenschaft. Jahrzehntelang war Berthold Beitz Kopf der Stiftung. Nach seinem Tod 2013 übernahm Gather, von Beitz 2011 ins Kuratorium geholt und im Hauptberuf Rektorin der Technischen Universität Dortmund, den Vorsitz. Offenbar traut die Belegschaft ihr zu, dass sie die Zerschlagung des Restkonzerns nach der Abspaltung der Stahlsparte hinnimmt.
Welche Strategie Thyssenkrupp nun verfolgt, ist nicht entschieden. Cevian und Elliott werden weiter die Aufspaltung des Konzerns fordern. Thomas Kutschaty, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Landtag, forderte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) auf, Thyssenkrupp zur Chefsache zu machen. Zusammen mit der Krupp-Stiftung, in dessen Kuratorium auch Laschet sitzt, müsse er für stabile Verhältnisse sorgen.
Dass die Landesregierung in diesem Sinne aktiv wird, ist allerdings nach der klaren Absage Pinkwarts nicht zu erwarten. Unabhängig von den Turbulenzen bei Thyssenkrupp machte der Wirtschaftsminister klar, dass der Stahlbereich eine Schlüsselbranche bleiben werde. „Stahl ist auch in NRW ein Werkstoff mit Zukunft“, so der FDP-Politiker. Voraussetzung sei aber eine sichere Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen.
Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, kritisierte den protektionistischen Kurs der USA. Dieser Weg von Donald Trump verzerre den Wettbewerb ebenso wie die staatskapitalistische Politik Chinas. Hinzu kämen neue Belastungen durch die Klimapolitik. „Mehrkosten durch den europäischen CO2-Emissionsrechtehandel müssen kompensiert werden, weil sonst eine wettbewerbsfähige Stahlproduktion in Deutschland nicht mehr möglich sein wird“, so Kerkhoff.