Führungswechsel bei Air Berlin - Mehdorn folgt Hunold

Berlin (dpa) - Inmitten heftiger Turbulenzen bei Air Berlin tritt Unternehmenschef Joachim Hunold zurück und will sein Lebenswerk Ex-Bahnchef Hartmut Mehdorn überlassen. Zumindest vorübergehend soll der Sanierungsexperte Mehdorn an die Spitze von Deutschlands zweitgrößter Fluggesellschaft rücken.

Hunold verkündete seinen zu diesem Zeitpunkt überraschenden Rückzug bei der Quartalsbilanz am Donnerstag in Berlin. Air Berlin schreibt seit 2008 unterm Strich rote Zahlen. Jetzt sollen Strecken gestrichen und einige Flugzeuge aus dem Betrieb genommen werden. Das wird vor allem die Regionalflughäfen treffen. Der 61 Jahre alte Hunold wird das Steuer am 1. September an den 69-jährigen Mehdorn weiterreichen. Der Verwaltungsrat von Air Berlin billigte diesen Vorschlag Hunolds.

Das Echo auf Hunolds Abgang fiel unterschiedlich aus. Aus der Branche kam viel Anerkennung für seinen Unternehmergeist, aber auch Kritik an seiner Strategie. Mehdorn war im Mai 2009 unter öffentlichem Druck wegen der Datenaffäre bei der Bahn zurückgetreten. Seit Juli 2009 ist er Mitglied des Air-Berlin-Verwaltungsrats. Air Berlin ist eine Aktiengesellschaft britischen Rechts (plc) und hat deshalb ein Board, das die Funktionen von Vorstand und Aufsichtsrat vereinigt.

Zu seinen Beweggründen für den Rücktritt sagte Hunold: „Es muss auch eine Zeit nach mir geben.“ Er halte es für richtig, den Wechsel an der Spitze jetzt zu vollziehen. Sein Nachfolger solle „unbelastet“ den bereits begonnenen Sparkurs fortsetzen. Hunold will Air Berlin als Mitglied des Verwaltungsrats ohne Managementaufgaben verbunden bleiben. „Mir liegt das Unternehmen am Herzen.“

Air Berlin machten im ersten Halbjahr vor allem steigende Treibstoffpreise, die Luftverkehrssteuer und das nach wie vor schwache Geschäft mit Flügen nach Nordafrika zu schaffen. Die Airline schneidet jetzt zahlreiche unrentable Verbindungen aus ihrem Streckennetz. Dafür will sie die Drehkreuze Berlin, Düsseldorf, Palma de Mallorca und Wien stärken.

Mit Beginn des Winterflugplans am 1. November werden vor allem von Regionalflughäfen aus deutlich weniger Flüge angeboten. Reisende können dann zum Beispiel nicht mehr von Münster/Osnabrück nach London, Wien und Sylt fliegen. Auch die Verbindungen von Hannover nach London, von Paderborn nach London und Manchester sowie von Köln/Bonn nach Valencia und in mehrere Städte Marokkos fallen weg. Den Standort Erfurt gibt die Fluggesellschaft ganz auf. Von Frankfurt bietet Air Berlin keine Flüge mehr nach Hamburg, Neapel und Alicante an.

Die Kapazität solle allein im zweiten Halbjahr um mehr als 7500 Flüge verringert werden. Das entspricht etwa einer Million Sitzplätze. Fürs kommende Jahr wurde die Planung um 16 000 Flüge oder 2,2 Millionen angebotene Sitze reduziert. Das Unternehmen will noch in diesem Jahr die Zahl seiner Flugzeuge von 171 auf 163 reduzieren. Im kommenden Jahr sollen es 164 statt wie zuletzt geplant 177 sein.

Hunold verteidigte den Kurs des Unternehmens gegen Kritik. Das Mischmodell, bei dem Kunden sowohl bei Urlaubern als auch bei Geschäftsreisenden gewonnen werden sollen, sei richtig. Wären nicht Mehrkosten bei Kerosin und durch die Luftverkehrssteuer hinzugekommen, hätte Air Berlin das Betriebsergebnis (Ebit) im zweiten Quartal deutlich verbessert, meinte er. Mehdorn will zu seinen Plänen erst in einigen Wochen etwas sagen. Um wieder profitabel zu werden, müsse „eine Menge passieren“, sagte er dem „Tagesspiegel“ (Freitag).

Experten zweifeln schon länger am Geschäftsmodell der Air Berlin. Das Unternehmen müsse sich neu orientieren, sagte der Luftverkehr-Investmentbanker Ulrich Puls der Nachrichtenagentur dpa. Mehdorn sei als harter Sanierer der richtige Mann zur richtigen Zeit. Eine Schlüsselrolle könnte dem türkischen Großaktionär ESAS Holding zukommen. „Ich kenne in Europa keine andere Fluggesellschaft mit einem Geschäftsmodell wie Air Berlin“, sagte der Manager der Berliner IEG. In der Vergangenheit hätten die Unternehmen entweder mit Interkontinentalflügen gutes Geld verdient oder mit knallhartem Low-Cost-Betrieb, wie es die irische Ryanair vorgemacht hat.

Die Gewerkschaft Verdi forderte eines neues Konzept. „Air Berlin braucht weniger ein Sparkonzept als einen Strategiewechsel“, sagte Verdi-Vorstand Christoph Schmitz der „Neuen Ruhr/Neuen Rhein Zeitung“ (Freitag).