Funkstille nach Feierabend: Ministerium will Mails abschalten
Berlin (dpa) - Störende E-Mails und nervige Anrufe in der Freizeit sind für viele Arbeitnehmer eine Last - doch immer mehr Konzerne und auch Behörden wollen der ständigen Erreichbarkeit einen Riegel vorschieben.
Nachdem zuletzt etliche Unternehmen Richtlinien für eine Funkstille nach Feierabend und im Urlaub verschärft hatten, zog jetzt das Bundesarbeitsministerium nach.
In einem neuen Kodex verpflichtet sich das Ressort von Ursula von der Leyen (CDU), Mitarbeiter nur noch in Ausnahmefällen außerhalb der Dienstzeit zu kontaktieren. Eine „Selbstausbeutung der Beschäftigten“ soll so vermieden werden.
Damit sich die Kollegen auch mit Handys, Smartphones und Laptops nicht ständig unter Strom fühlen müssen, einigten sich Personalrat und Leitung des Arbeitsministeriums auf die Regelung. Eine Vereinbarung zur Stressvermeidung gelte bereits seit Mai, hieß es am Freitag in Berlin. Es handele sich aber nicht um die pauschales Abschaltgebot, sondern um ein differenziertes Modell, das auf die unterschiedlichen Funktionen der Mitarbeiter im zugeschnitten ist.
Nach Angaben der „Süddeutschen Zeitung“ soll in jedem Fall kein Mitarbeiter benachteiligt werden, der außerhalb seiner Arbeitszeit sein Handy „abschaltet oder Nachrichten nicht abruft“.
Dabei ist der Beschluss klarer Regeln im Haus von der Leyens bisher offensichtlich eine Ausnahme - nicht in allen Ressorts der Bundesregierung sind solch spezielle Regelungen üblich. Im Wirtschaftsministerium etwa gibt es nach Darstellung einer Sprecherin keine so detaillierten Bestimmungen. In der Praxis bedeute die bestehende Vereinbarung aber, dass Mitarbeiter nur in begründeten Ausnahmen gestört werden dürften: „Aber dann dürfen sie es auch.“
Im Innenministerium existiert nach Angaben eines Sprechers eine derartige Regelung nicht. Mitarbeiter hätten aber genügend Zeit zur Erholung. Im Auswärtigen Amt ist das Krisenzentrum rund um die Uhr erreichbar. Im Kanzleramt besteht keine allgemeine Verpflichtung, ständig erreichbar zu sein - mit Ausnahme bei Rufbereitschaft.
In der Wirtschaft wächst das Verständnis für ein Gegensteuern bereits seit längerem. Insgesamt müsse aber jede Firma selbst wissen, wie sie Burnout-Gefahren begegnet. „Die deutschen Arbeitgeber gehen verantwortungsvoll mit Arbeitszeit und Freizeit ihrer Mitarbeiter um“, heißt es aus dem Verband BDA. Zugleich dürfe man freiwilligen Einsatz nicht dämpfen: „Engagement und Leistungsbereitschaft sollten nicht zwangsweise eingeschränkt werden.“
Auch Konzerne wie Daimler nehmen das Thema ernst. Der Stuttgarter Autobauer Daimler wertet derzeit einen Modellversuch aus, bei dem Mitarbeiter in ihrer Freizeit und im Urlaub nicht mit E-Mails gestört werden. Nach der Bewertung der Ergebnisse soll es dann für alle Mitarbeiter mit PC-Arbeitsplatz auf freiwilliger Basis möglich sein, dass sie in ihrer Freizeit keine elektronischen Nachrichten bekommen.
Ähnliche Regelungen gelten beim Autobauer Volkswagen. Dort werden nach Dienstschluss keine Mails weitergeleitet. Die Telekom fordert dem Blatt zufolge ihre Mitarbeiter auf, in der Freizeit berufliche Telefonate und Mails zu unterlassen. Beim Energieriesen Eon oder dem Sportartikelhersteller Puma gibt es demnach ebenfalls Beschränkungen.
Der Autobauer BMW setzt derweil auf Selbstkontrolle. Außer bei explizit vereinbarten Bereitschaftsdiensten sei niemand verpflichtet, außerhalb der Arbeitszeit erreichbar zu sein. Dagegen hat etwa Siemens keine spezielle Regelung für den Umgang mit späten E-Mails. „Jeder Mitarbeiter ist mündig. Er sollte selbst entscheiden können, wann er die Medien nutzt und wann er sie abschaltet“, sagte ein Sprecher des Münchner Konzerns. Das Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim verweist auf ein eingespieltes Verständnis zwischen Management und Belegschaft: Es sei „seit vielen Jahren gelebte Praxis, Feierabend und Urlaub der Mitarbeiter zu respektieren“.