Fusion zwischen Thyssen Krupp und Tata: Stahlkocher proben den Aufstand

Der Betriebsrat fürchtet den Verlust Tausender Arbeitsplätzen.

Düsseldorf. Willi Segerath lässt seinem Unmut freien Lauf. „Der Stahl wird in Deutschland schlecht geredet“, so der Chef des Konzernbetriebsrates von Thyssen-Krupp im Foyer der SPD-Fraktion im Landtag NRW. „Dabei sind die Standorte und ihre Belegschaften Weltspitze. Es gibt keinen Grund, die Werke zu schließen. Und rote Zahlen schreiben wir auch nicht“, so Segerath.

Die SPD-Fraktion hat ihn und Vertreter der IG Metall geladen, um ihre Haltung zur Lage bei Thyssen-Krupp zu erläutern. Die Zeit drängt. Am Wochenende trifft sich der Aufsichtsrat des Konzerns. Es geht darum, die Stahlsparten von Thyssen-Krupp und die des britisch-indischen Konkurrenten Tata zu fusionieren. Das lehnt der Betriebsrat ab. Er fürchtet den Verlust Tausender Arbeitsplätze.

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Um gegen den Plan von Thyssen-Krupp-Chef Heinrich Hiesinger zu protestieren, haben IG Metall und der Betriebsrat für Freitag in Bochum zu einer Demonstration aufgerufen. Erwartet werden mindestens 5000 Stahlkocher. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will sprechen. Ihr Parteichef und Kanzlerkandidat Martin Schulz hat dagegen mit Hinweis auf andere Termine abgesagt.

Bisher deutet alles darauf hin, dass der Aufsichtsrat am Samstag noch nicht abschließend über die Fusion abstimmen wird. Vermutlich geht es nur um eine Absichtserklärung, dass man die Details einer möglichen Fusion weiter prüfen wolle. Offenbar fürchtet Konzernchef Hiesinger eine Niederlage, wenn schon jetzt entschieden wird. Denn neben der Arbeitnehmerseite ist mit Finanzinvestor Cevian auch ein Vertreter der Kapitalseite gegen den Zusammenschluss. Die Schweden halten 15 Prozent an Thyssen-Krupp und sind damit der zweitgrößte Einzelaktionär nach der Krupp-Stiftung mit 23 Prozent. Cevian verfolgt allerdings völlig andere Interessen als der Betriebsrat. Sie fordern die Aufspaltung des Konzerns, der neben Stahl auch Aufzüge, Anlagen und U-Boote baut. Der Wert soll so gesteigert werden.

Für Günter Back, Chef des Betriebsrates der Stahlsparte, ist das eine Horrorvision. Er ist fest davon überzeugt, dass der Werkstoff Stahl im Verbund des Konzerns eine gute Zukunft hat. „Stahl ist kein Sanierungsfall“, so Back. Er wirft dem Vorstand allerdings vor, von allen Bereichen eine Rendite von knapp neun Prozent zu verlangen. Das sei eine utopische Forderung, die die Sparte nicht erfüllen könne.

Für Konzernchef Hiesinger könnte das Ringen um die Zukunft der Stahlsparte zur Zerreißprobe werden. Fast sieben Jahre nach seinem Amtsantritt ist der Umbau des Essener Konzerns noch längst nicht vollendet. Mit seinen Tata-Plänen stößt der ehemalige Siemens-Manager auf erbitterten Widerstand in der Belegschaft.

Kein Wunder: Was Hiesinger plant, ist ein echter Tabubruch. Er will die Keimzelle des Konzerns ausgliedern. Auch bei einer 50-Prozent-Beteiligung würde der Stahl nicht mehr zum Kerngeschäft von Thyssen-Krupp zählen. Die Stahlsparte könnte samt Schulden- und Pensionslasten aus der Konzernbilanz genommen werden.

Die Aussicht auf eine solche Abspaltung hat die Finanzmärkte in den vergangenen Monaten bereits begeistert. Der Kurs der Thyssen-Krupp-Aktie ist stetig bis knapp über 27 Euro geklettert. Sollte der Plan, auf den Hiesinger sich festgelegt hat, letztlich doch noch scheitern, droht ein erheblicher Kursrutsch des Dax-Wertes. Und die Tage von Hiesinger an der Konzernspitze wären wohl gezählt.