G20 halten an Wachstumsziel fest - Tür für Russland offen
Cairns (dpa) - Die führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) wollen trotz wachsender konjunktureller Risiken an ihren ehrgeizigen Wachstumszielen festhalten.
Zwei Prozentpunkte mehr Wachstum für die Weltwirtschaft seien zwar sehr ehrgeizig. Aber alle G20-Länder gäben sich Mühe, sagte der australische Finanzminister Joe Hockey vor einem Treffen mit seinen Amtskollegen und den Notenbankchefs der G20 am Samstag in Cairns. Er verwies auf mehr als 900 Initiativen, um das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen.
Finanzminister Wolfgang Schäuble unterstützt dies, erteilte Wachstumsprogrammen auf Pump aber erneut eine Absage. Nach Angaben aus Delegationskreisen warnte der CDU-Politiker vor „möglichen Blasen auf Aktien- und Immobilienmärkten“. Was kurzfristig helfe, berge mittel- und langfristig Risiken, habe Schäuble in der G20-Runde erklärt. Er habe für solide Staatsfinanzen geworben, die Umsetzung vereinbarter Maßnahmen sowie mehr private Investitionen in die Infrastruktur.
Die G20-Länder streben an, dass die Weltwirtschaft innerhalb von fünf Jahren im Vergleich zu 2013 zwei Prozentpunkte mehr zulegt als bisher prognostiziert. Dies bedeutet ein geschätztes Konjunkturplus von zwei Billionen Dollar. Dafür soll jedes G20-Land nationale Strategien vorlegen. Der „Brisbane-Aktionsplan“ soll dann beim G20-Gipfel der Staats- und Regierungschefs im November in Brisbane endgültig vereinbart werden.
Russland soll trotz seiner Rolle im Ukraine-Konflikt am Gipfel teilnehmen. Die G20 hätten sich bereiterklärt, trotz aller Differenzen die Tür offen zu halten für Russland, betonte Hockey. Zuvor hatte es aus einigen G20-Ländern Kritik an einer Teilnahme des russischen Präsidenten Wladimir Putin gegeben. Hockey sagte, er habe eine Reihe von Ländern konsultiert. Diese hätten sich für eine Teilnahme Russlands am Gipfel ausgesprochen. „Wenn jemand aus verschiedenen Gründen ausgeschlossen werden soll, dann ist die Zustimmung aller in der G20 erforderlich“, sagte er.
Nach Angaben aus G20-Kreisen liegen bisher rund 950 Maßnahmen für das Ziel „Zwei in Fünf“ vor. Würden diese umgesetzt, sei ein zusätzlicher Wachstumsschub von 1,8 Prozent bis zum Jahr 2018 möglich. Es bestehe der Ehrgeiz, bis zum Gipfel in Brisbane mit weiteren Maßnahmen die Zwei-Prozent-Vorgabe noch zu erreichen.
Einige Staaten und auch der Internationale Währungsfonds (IWF) verlangen von Deutschland mehr Ausgaben zur Stärkung der Binnennachfrage. Schäuble hatte vor dem G20-Treffen auch mit Blick auf die Politik des billigen Geldes gesagt: „Der Spielraum von der Nachfrageseite her und von der Geldpolitik für die Förderung von nachhaltigem Wachstum ist (..) generell gering.“ US-Finanzminister Jack Lew hatte zuvor an Länder mit Exportüberschüssen wie Deutschland appelliert, die Inlandsnachfrage anzukurbeln.
Schäuble mahnte nach Angaben aus Delegationskreisen an, dass eine verlässliche Politik notwendig sei, auch um „Handlungsspielraum“ wegen der geopolitischen Risiken wie der Ukraine-Krise zu haben. Dauerhaftes Wachstum sei nur mit Strukturreformen und einer wachstumsfreundlichen Haushaltskonsolidierung möglich. Eine expansive Geld- und Fiskalpolitik senke den Reformdruck.
Als Teil der deutschen Wachstumsstrategie für das Zwei-Prozent-Ziel der G20 verwies Schäuble den Angaben zufolge auf zusätzliche Infrastruktur-Investitionen sowie mehr Ausgaben für Forschung und Bildung. Zur nationalen Strategie gehöre auch, den Anteil der Frauen an der Beschäftigung zu erhöhen und Langzeitarbeitslosigkeit abzubauen. Ebenso der Ausbau Erneuerbarer Energien, Maßnahmen für mehr Privatinvestitionen sowie eine flexiblere Lebensarbeitszeit.
Die G20-Minister wollten auf dem zweitägigen Treffen auch erste Empfehlungen der Industrieländerorganisation OECD im Kampf gegen Steuerschlupflöcher großer Konzerne billigen. „Wir glauben, dies ist sicherlich der prominenteste Schritt in Richtung Modernisierung des internationalen Steuersystem seit 100 Jahren“, sagte OECD-Generalsekretär Angel Gurria vor dem Treffen. Er übergab an Hockey Empfehlungen der OECD für Maßnahmen gegen Gewinnverlagerungen und aggressive Steuergestaltungen.