G7 setzten auf „Vertrauenssignal“

Marseille (dpa) - Viel Zeit für einen Blick über den Hafen auf die Altstadt von Marseille bleibt ohnehin nicht.

Die sieben Finanzminister und Notenbankchefs aus den Top-Industrieländern (G7) haben nach einem turbulenten Sommer nur ein paar Stunden, um in der französischen Mittelmeermetropole wieder einmal Anti-Krisen-Rezepte zu entwickeln.

Was auch am Freitag in Marseille nicht einfach werden sollte gibt es doch einmal mehr Streit unter den G7-Lenkern - bei einer fast täglich länger werdenden Problemliste. Fast genau drei Jahre nach der Pleite der US-Bank Lehman Brothers sind Rezessionsängste und Sorgen vor einem Einbruch der Wirtschaft wieder da. Die Schuldenkrise in den USA und Europa beunruhigt die nervösen Märkte und Börsen weiter. Und als ob das nicht reicht, sorgt der Chefökonom der Europäischen Zentralbank (EZB), Jürgen Stark, mit seinem überraschenden Rücktritt für Gesprächsstoff.

Die Kreditwürdigkeit der USA wurde bereits herabgestuft, auch Japan und China drohen schlechtere Bonitätsnoten. In Europa steigen Risikoaufschläge für Staatsanleihen einiger Euro-Länder auf Rekordhöhe, Italien fährt beim Sparkurs einen gefährlichen Zick-Zack-Kurs. Hinzu kommen der Dauerstreit über eine Finanztransaktionssteuer und Währungsturbulenzen rund um Yen und Schweizer Franken.

Einigkeit herrscht zumindest in der Feststellung, dass sich die globale Konjunktur abkühlt und für die Weltwirtschaft die schwierigste Phase seit der Lehman-Pleite begonnen hat. Ob aber das Risiko einer neuen Rezession besteht, darüber gehen die Meinungen in der G7 auseinander. Entsprechend schwierig gestaltet sich eine einheitliche Linie der G7-Länder USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien Kanada und Italien bei den Anti-Krisen-Konzepten.

Die Amerikaner pochen - zusammen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) - auf Kapitalspritzen für europäische Banken. Rückendeckung kam von der Wirtschaftsorganisation OECD, die ebenfalls Liqiditätsprobleme ausmachte. Zudem fordern die USA - obwohl wegen des enormen Defizits und Rekordschulden schon abgestraft - von den Europäern entschiedenere Schritte gegen die Schulden- und Konjunkturkrise. Prompt schnürte US-Präsident Barack Obama vor dem G7-Treffen ein gigantisches Milliarden-Job-Programm.

Deutschland könnte in dieser Gemengelage wieder einmal schnell am Pranger stehen. Die neuerliche G7-Debatte über Konjunkturprogramme auf Pump und Kapitalspritzen für Banken erinnert ein wenig an den Streit über den Abbau der globalen Ungleichgewichte. Da wurde Ex-Exportweltmeister Deutschland gemahnt, die Ausfuhren doch ein wenig zu bremsen und mehr für die heimische Nachfrage zu tun.

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) macht Front gegen solche Forderungen, die auch von der von ihm so geschätzten Ex-Kollegin Christine Lagarde kommen. Die IWF-Chefin war es, die Deutschland zu Konjunkturspritzen bei abflauendem Export ermunterte und die vor Kapitallücken in Europas Banken warnte. Der Berliner Kassenwart machte klar, was er davon hält - nichts. Die Schuldenkrise könne schließlich nicht durch mehr Schulden bekämpft werden.

Für zusätzlich Zündstoff sorgt die jüngste OECD-Prognose eines stark abgeschwächten Wachstums im zweiten Halbjahr. Den Deutschen sagen die OECD-Experten aus Paris sogar voraus, dass die Wirtschaft zum Jahresende schrumpfen dürfte. Deutschland könnte im Schlussquartal sogar schwächste große Industrienation sein.

Auch andere Ökonomen malen schwarz, weil sich der Boom nicht fortsetzt. Das schwieriger gewordene weltwirtschaftliche Umfeld bekommen natürlich Deutschlands Exporteure zu spüren. Andere Ökonomen warnen aber vor Übertreibungen und halten dagegen, inzwischen sei eben der Normalzustand bei der Kapazitätsauslastung erreicht.

Immerhin machten Schäuble und sein französischer Ressortkollege Francois Baroin vor dem G7-Treffen einen ersten Aufschlag in Sachen Finanztransaktionssteuer, die beide Länder vorantreiben wollen. In der G7 stehen die Chancen für eine Einführung derzeit schlecht.

Eine gemeinsame G7-Erklärung soll es in Marseille nicht geben. Langen Streit um jede einzelne Formulierung und jedes Komma will Gastgeber Frankreich vermeiden. In Paris hieß es vor dem Treffen lediglich, es solle eine gute Wirtschaftspolitik abgestimmt und ein „Signal des Vertrauens“ ausgesendet werden.