Gabriel sieht soliden Aufschwung und verteidigt Mindestlohn
Berlin (dpa) - Rekordbeschäftigung, höhere Einkommen und optimistische Firmen: Deutschland steht nach Ansicht der Regierung wirtschaftlich vor zwei weiteren Erfolgsjahren.
Bei der Vorlage seiner Frühjahrs-Konjunkturprognose zeigte sich Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel zuversichtlich, dass weder der Ukraine-Konflikt noch die Lage in den Euro-Krisenländern Europas größter Volkswirtschaft etwas anhaben können: „Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einem soliden Aufschwung.“
Gabriel bestätigte seine Einschätzung aus dem Februar, dass die Wirtschaft im laufenden Jahr um 1,8 Prozent wachsen kann. 2015 soll das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 2,0 Prozent zulegen. Ähnliche Werte sagten zuletzt auch die Forschungsinstitute voraus. Die Warnungen der führenden Ökonomen, der gesetzliche Mindestlohn werde bis zu 200 000 Arbeitsplätze kosten, wies der SPD-Chef erwartungsgemäß zurück.
Er komme zu einem völlig anderen Ergebnis. Mit dem Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde würden die Binnennachfrage und der faire Wettbewerb in der Wirtschaft gestärkt. Firmen, die bisher „Armutslöhne“ und staatliche Lohnzuschüsse zu einem Teil ihres Geschäftsmodells gemacht hätten, werde das Leben schwerer gemacht.
Die Zahl der Erwerbstätigen soll 2014 weiter um 240 000 auf das Rekordniveau von 42,1 Millionen steigen. Die registrierte Arbeitslosigkeit soll aber nur noch leicht um 60 000 in diesem Jahr und 35 000 Personen im nächsten Jahr zurückgehen. Die Arbeitslosenquote sinkt in diesem Jahr laut Prognose auf 6,7 Prozent, im kommenden Jahr auf 6,6 Prozent.
Spielräume für Steuersenkungen sieht Gabriel trotz hoher Steuereinnahmen und des angestrebten ausgeglichenen Haushalts derzeit nicht. Dafür müsste die Prognose schon deutlich überschritten werden. Allerdings erklärte er, dass die Regierung die wirtschaftliche Entwicklung bewusst konservativ eingeschätzt habe. Ausdrücklich betonte Gabriel, dass der Aufschwung kein Verdienst der großen Koalition aus Union und SPD sei, die erst seit Mitte Dezember regiert. „Ich halte nichts davon, sich für gute Prognosen abzufeiern.“
Vom dauerhaften Aufschwung profitieren aus Sicht der Regierung weiterhin die Arbeitnehmer. Die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte bekämen einen „Aufwärtsschub“, so Gabriel. 2014 sollen sie um 2,9 Prozent und 2015 um 3,3 Prozent erneut kräftig anziehen. Die guten Tarifabschlüsse, der Mindestlohn und die besseren Rentenleistungen würden bei einer moderaten Teuerungsrate dazu führen, dass die Kaufkraft steigt und die Bürger mehr Geld in der Tasche haben. Das geben sie reichlich aus.
Gemeinsam mit wieder anziehenden Investitionen der Unternehmen ist der Konsum die tragende Säule des Aufschwungs. Weil auch der Export in beiden Jahren um jeweils mehr als vier Prozent steigen soll, „steht das Wachstum auf einem breiten und soliden Fundament“, meinte Gabriel. Problematisch seien der Rückgang bei den Firmengründungen, der Fachkräftemangel, die hohen Energiepreise und der Umstand, dass Deutschland seine Infrastruktur auf Verschleiß fahre.
Im Ukraine-Konflikt glaubt Gabriel nicht, dass bei harten Sanktionen gegen Moskau die deutsche Wirtschaft übermäßig leiden würde. Das hätte wohl eher negative psychologische Folgen für das Investitionsklima in Europa. Deutsche Finanzexperten sind skeptischer. Die Konjunkturerwartungen des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) fielen im April im Vergleich zum Vormonat um 3,4 Punkte auf 43,2 Punkte, wie das ZEW am Dienstag in Mannheim mitteilte. Das war deutlicher als erwartet. Der Ukraine-Konflikt sorge nach wie vor für Verunsicherung, teilte das ZEW mit.