Flexibleres Arbeiten Gesamtmetall will Abkehr vom Achtstundentag
Frankfurt/Berlin (dpa) - In der Metall- und Elektroindustrie dürfte in den kommenden Jahren um die Arbeitszeit der Beschäftigten gestritten werden. Die Tarifpartner haben das Thema als wichtigstes Diskussionsfeld ausgemacht.
Während der Arbeitgeberverband Gesamtmetall eine Abkehr vom starren Achtstundentag anregt, schwebt der IG Metall eine neue Arbeitszeitkultur vor, in der die Belange der Beschäftigten weit wichtiger genommen werden als bislang. Beide Seiten zeigen sich offen, Details über Tarifverträge zu gestalten.
„Der Achtstundentag kann nicht mehr so starr sein wie bisher“, sagte Gesamtmetall-Präsident Rainer Dulger der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Es muss einfach möglich sein, dass ein Mitarbeiter nachmittags um vier heimgeht, das Kind aus der Kita abholt, abends um 21 Uhr ins Bett bringt und sich dann noch mal zwei Stunden an die Arbeit setzt.“
Dulger begrüßte die von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) vorgeschlagene Arbeitszeit-Probephase über zwei Jahre. „Ich halte es für einen mutigen Schritt von Frau Nahles zu sagen, lasst das doch mal die Tarifpartner machen.“ Nach seinen Vorstellungen könnte ein Gesetz „so aussehen, dass man eine tarifliche Öffnungsklausel vorsieht und sagt: Statt des Achtstundentages gilt eine Wochenarbeitszeit von x Stunden“. Nahles hatte ein Gesetz für einen neuen Arbeitszeitrahmen vorgeschlagen. Bei klaren Grenzen für die maximale Länge der Arbeitszeit und Ruhezeiten müsse es aber bleiben.
An der Wochenarbeitszeit von 35 Stunden beziehungsweise 38 Stunden in den neuen Bundesländern will Gesamtmetall laut Dulger nicht rütteln. Es gehe ihm um Flexibilisierung, „es geht darum, dass sie in bestimmten Lebensphasen ein paar Jahre 40 oder 42 Stunden arbeiten können.“
Die IG Metall verfolgt hingegen das Ziel, das Vollzeitarbeitsvolumen für Beschäftigte in besonderen Lebenslagen zumindest zeitweise absenken zu können. Wer Kinder erzieht, Angehörige pflegt oder sich beruflich fortbildet, sollte die Arbeitszeit in einem Korridor zwischen 28 und 35 Stunden wählen können und zum Lohnausgleich einen staatlichen Grundzuschuss sowie tarifliche Leistungen erhalten, schlägt der Erste Vorsitzende Jörg Hofmann vor. Die Leistungen sollten steuerfrei gestellt und auch keine Abgaben an die Krankenkassen erhoben werden.
„Wir haben seit der Krise 2008/2009 wieder einen ungebremsten Aufschwung in Sachen Arbeitszeiten. Sie wurden in Länge, Lage und Intensität noch einmal deutlich ausgeweitet“, stellte Hofmann fest. Mehr Schichtarbeit für immer weitere Beschäftigtenkreise, zu prall gefüllte Arbeitszeitkonten, ständige Erreichbarkeit und wenig Rücksicht auf private Belange seien einige der drängendsten Probleme, von denen Beschäftigte und Betriebsräte berichteten.
Nach gewerkschaftlicher Einschätzung wird die Schichtarbeit in den Betrieben auch in die Angestelltenbereiche ausgeweitet. Starre, häufig mit falschen technischen Begründungen durchgesetzte Arbeitszeitregeln schafften eine Vielzahl von Problemen bei den Beschäftigten. „Mit Arbeitszeitmodellen, die mehr Selbstbestimmung erlauben, können auch hier viele Alltagsprobleme gelöst werden. So funktioniert auch Gleitzeit in der Produktion. Man muss es nur wollen und verschiedene Lebenslagen abbilden“, sagte Hofmann.
Keinen Änderungsbedarf sieht der IG-Metall-Chef bei dem von den Arbeitgebern angegriffenen Arbeitszeitgesetz. Es schütze vor Überforderung, regele die notwendigen Pausen und sehr zeitgemäß auch das „Recht auf Abschalten“, sagte Hofmann. Er kritisierte das einseitige Streben der Unternehmen nach Flexibilität, die kein Selbstzweck an sich sei. Sehr viel wichtiger sei die Stabilität des Unternehmens in all seinen Beziehungen zu Kunden und Mitarbeitern. Mit einer sinnvollen Nutzung der Digitalisierung könne es auch Entlastungen der Beschäftigten geben.