Einzelhandel Gesetz soll Kassenbetrug stoppen
Weil Händler Einnahmen nicht korrekt registrieren, entgehen dem Staat jährlich Milliarden.
Düsseldorf. Auf einen konkreten Betrag wollte sich NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) am Donnertag nicht festnageln lassen. Ob es bundesweit nun „3, 5, 10 oder 30 Milliarden“ an Umsatzsteuer sind, die durch die Manipulation von Ladenkassen verloren gingen, sei aber letztlich egal. „Klar ist: Das Geld fehlt für Straßen, Bildung und alles was das Gemeinwesen und eine funktionierende Wirtschaft braucht“, sagte Walter-Borjans auf einer Pressekonferenz in Düsseldorf.
Anlass war die Ankündigung des Bundes, einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der den Steuerbetrug an den rund zwei Millionen elektronischen Kassen in Deutschland verhindern soll. Demnach sollen ab 2017 manipulationssichere Computersysteme dafür sorgen, dass Betriebe wie Gaststätten, Apotheken oder Spielhallen Einnahmen nicht mehr am Fiskus vorbeiführen können. Zu diesem Schritt drängen die Finanzminister der Länder — allen voran NRW — den Bund schon seit längerer Zeit.
Bislang gibt es zwei Varianten des Betrugs: Entweder werden Einnahmen unmittelbar bei der Bezahlung durch den Kunden nicht korrekt in der Kasse registriert. Oder aber die steuersäumigen Unternehmer tricksen nach Kassenschluss, indem sie Teile der Tageseinnahmen nicht in der Kasse verbuchen. „Sie manipulieren die Datenbank in der Kasse. Und diese Manipulationen sind anschließend nicht mehr sichtbar“, erklärte Markus Nowotzin.
Der Prüfexperte der Oberfinanzdirektion NRW hat lange Jahre als Außenprüfer gearbeitet und dabei „kreative Ideen erlebt, um die Steuerpflicht zu umgehen“. Kassenstürze hätten ergeben, dass 30 bis 70 Prozent der Einnahmen nicht in den Kassen verbucht werden, um so die fällige Umsatzsteuer zu drücken. „Ich hatte nur einen Fall, bei dem alles gepasst hat“, so Nowotzin.
Um den Betrug zu verhindern, sollen die Kassen nun umgerüstet werden. Mit einer Art „Fahrtenschreiber“ sollen die Einzeleinnahmen unveränderbar registriert werden. „Echtzeitversiegelung“ nennt Walter-Borjans das. „Bei neueren Kassen reicht eine Smartcard, die in das bestehende System eingebaut wird. Ältere Kassen benötigen sowohl ein neues Speichersystem als auch die Smartcard“, berichtete Ralf Liebers, Inhaber von Kalicom, einer Firma für Kassen- und Zahlungssysteme. Bei zwei Testläufen in Bäckereien hätten die umgerüsteten Registrierkassen reibungslos funktioniert. Die Kosten von 100 bis 120 Euro für die Umrüstung sollen die Händler tragen.
Doch Kritiker — auch aus dem Bundesfinanzministerium — führen nicht nur Kosten und Bürokratie ins Feld. Sie sehen in dem Gesetzesvorhaben, das auch unangekündigte Kontrollen der Kassen erlaubt, die Händler unter Generalverdacht. Walter-Borjans ficht das nicht an: „Vieles wird infrage gestellt und immer wieder wird dazwischen gegrätscht.“
An der Notwendigkeit des Gesetzes, das nach Einschätzung des Ministers im ersten Halbjahr 2016 verabschiedet werden und spätestens Anfang 2017 in Kraft treten könnte, ändere das nichts. Zumal man damit nur einem Erlass folge, der die Umrüstung der Kassen ohnehin vorsehe. „Mit dem Gesetz schaffen wir Standards für die manipulationssicheren Systeme und damit Rechtssicherheit für die Händler“, so der NRW-Finanzminister.