Goldgräberstimmung in Detroit: Autoindustrie boomt

Detroit (dpa) - Von Krisenstimmung keine Spur: Beflügelt von neuen Rekordwerten 2011 blicken die deutschen Autobauer voller Zuversicht ins Jahr 2012.

Selbst Mercedes, gerade von Audi als Nummer zwei unter den Premiumherstellern weltweit abgelöst und in den USA knapp von BMW übertrumpft, stimmt in den Chor der Optimisten ein. „Wir erwarten Wachstum und ein gutes 2012. Wir sind sehr gut unterwegs“, betonte Daimler-Chef Dieter Zetsche am Montag am Rande der Automesse in Detroit. Und Porsche-Chef Mattias Müller erneuerte sein Ziel, die Verkäufe bis 2018 zu verdoppeln.

Auch auf dem weltgrößten Automarkt USA peilen die deutschen Hersteller weitere Zugewinne an. „Wir erweitern unsere Kapazitäten, bringen neue, spannende Modelle auf den Markt und haben das Ziel, unseren Marktanteil auch in diesem Jahr zu erhöhen“, sagte der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann: „Wir können hier in Detroit optimistisch sein.“

Die herausragende Entwicklung von 2011, als die deutschen Hersteller ihren Absatz um gut 18 Prozent steigerten und erstmals über eine Million Neuwagen in den USA verkauften, könne zwar nicht wiederholt werden. „Aber die Akzeptanz deutscher Autos in den USA steigt rasant.“ Aktuell beträgt der Marktanteil 8,2 Prozent.

2011 hatte sich der US-Autoabsatz nach Daten des Marktforschers Autodata um 10 Prozent auf 12,8 Millionen Fahrzeuge erhöht. Er erwarte, dass der US-Markt auch im Jahr 2012 auf Wachstumskurs bleibe, sagte Wissmann: „Die Drehzahl wird etwas zurückgenommen, aber ein voraussichtliches Plus von 5 Prozent bedeutet, dass der Light-Vehicles-Absatz in diesem Jahr auf 13,4 Millionen Einheiten steigen wird.“

Kritische Zwischentöne waren die totale Ausnahme. VW-Konzernchef Martin Winterkorn sprach von „wirtschaftlichen Herausforderungen“, die vor der Branche lägen - bevor er wieder die Erfolge seines Unternehmens auf dem US-Markt unterstrich. Die Verkäufe waren im vergangenen Jahr um fast ein Viertel auf mehr als 444 000 gestiegen, im laufenden Jahr sollen es mehr als 500 000 Wagen werden.

„In Europa haben wir Signale, die durchaus zur Vorsicht anregen“, sagte VW-Vertriebsvorstand Christian Klingler. Mit Blick auf die Konkurrenten sagte er, „wir fürchten, dass an der Preisschraube gedreht wird“. Für die USA und China sieht er dagegen weiter eine positive Entwicklung.

VW hat im vergangenen Jahr Toyota überholt und dürfte nun nach General Motors der zweitgrößte Autohersteller der Welt sein. Der Konzern kam nach Angaben von Winterkorn auf annähernd 8,2 Millionen verkaufte Autos. Toyota musste sich wegen der Produktionsausfälle nach dem Erdbeben im März mit um die 7,9 Millionen begnügen. GM hat noch keine Gesamtzahlen genannt, Analysten gehen von etwa 9 Millionen Stück aus. Bis 2018 will der VW-Konzern auch noch an den Amerikanern vorbeiziehen und zum weltgrößten Autobauer aufsteigen.

VW hat ein eigenes Werk in den USA gebaut und fertigt dort einen speziell auf die amerikanischen Kundenwünsche abgestimmten Passat. Der Markt der Mittelklasse-Limousinen ist heiß umkämpft. Ford will mit seinem neuen Fusion die Nummer eins werden und den Toyota Camry verdrängen. Der Fusion soll 2013 weitgehend baugleich als Mondeo auch nach Europa kommen.

Im Wettrennen um die Vormachtstellung bei den Oberklasse-Anbietern hält BMW die Rivalen Audi und Daimler vorerst weiter auf Distanz. 2011 verkauften die Münchner so viele Autos wie nie zuvor, insgesamt setzte der Konzern im vergangenen Jahr weltweit 1,7 Millionen Fahrzeuge der drei Marken BMW, Mini und Rolls-Royce ab - ein Plus von 14,2 Prozent. Auch Audi und Daimler vermelden für 2011 Rekorde, bleiben aber hinter dem bayerischen Branchenprimus zurück.

„2011 war ein hervorragendes Jahr für die BMW Group“, sagte BMW-Vertriebsvorstand Ian Robertson und gab sich kampfbereit, die Spitzenposition in dem Segment zu halten. „Wir wollen auf allen Kontinenten ausgewogen wachsen und auch in 2012 der erfolgreichste Premium-Automobilhersteller bleiben“, sagte er.

Auch auf dem riesigen US-Markt solle der Vorsprung vor dem Erzrivalen aus Stuttgart ausgebaut werden, sagte Robertson: „Das ist unser klares Ziel.“ 2011 hatte sich die Marke BMW mit einem Absatz von fast 248 000 Einheiten den Titel des größten Oberklasse-Herstellers in den Vereinigten Staaten ganz knapp vor Mercedes gesichert: Die Schwaben verkauften gut 2700 Autos weniger.

Eine Kampfansage an alle deutschen Nobelhersteller kam am Sonntag von General Motors. Der US-Platzhirsch bläst zum Angriff auf den Premiummarkt und stößt mit dem neuen Cadillac ATS in ein Segment vor, in dem bislang BMW 3er, Audi A4 und die Mercedes C-Klasse das Maß der Dinge sind. „Der ATS ist eine andere Art von Cadillac“, schwärmte GM-Nordamerika-Chef Mark Reuss am Sonntagabend (Ortszeit) in Detroit. „Das ist ein Auto, das die Deutschen herausfordert.“