Griechenland hat wieder Geld
Brüssel/Athen/Berlin (dpa) - Griechenland ist wieder flüssig. Die Euro-Finanzminister gaben am Samstagabend einen neuen Kredit in Höhe von 12 Milliarden Euro für das krisengeschüttelte Land frei.
Das Geld soll bis Mitte Juli in Athen eintreffen - gerade rechtzeitig, um die drohende erste Pleite eines Eurolandes abzuwenden. Nun arbeiten die Partner unter Hochdruck an dem neuen und bis zu 120 Milliarden Euro schweren Rettungsplan, der Griechenland über 2013 hinaus Luft verschaffen soll.
Aus dem laufenden Hilfsprogramm der EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF) sollen insgesamt 12 Milliarden Euro fließen. 8,7 Milliarden Euro entfallen auf die Europäer, 3,3 Milliarden Euro auf den IWF.
Eine Sprecherin signalisierte in Washington, dass einer Freigabe des IWF-Beitrags nichts mehr im Wege stehe. Insgesamt summieren sich die bisherigen Hilfen damit auf 65 Milliarden Euro.
Der Rettungsplan von Europäern und IWF läuft seit Mai 2010. Griechenland war damit als erstes an den internationalen Finanztropf gekommen; später folgten Irland (85 Milliarden Euro) und Portugal (78 Milliarden Euro).
Mit dem neuen Kredit dürfte Griechenland bis zum Herbst über die Runden kommen, hieß es in Brüssel. In Athen forderte der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos von seinen Landsleuten: „Nun kommt es darauf an, dass die Sparbeschlüsse des griechischen Parlaments rechtzeitig und wirkungsvoll in die Tat umgesetzt werden.“ Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) rief die Griechen auf, die am Donnerstag endgültig beschlossenen Maßnahmen zügig umzusetzen.
Der Umfang und die Bedingungen zur Einbeziehung von Banken und Versicherungen in das neue Paket sollten in den „kommenden Wochen“ festgelegt werden, hieß es in einer Erklärung der Minister. Eine europaweite Lösung für die freiwillige Laufzeitverlängerung ist kompliziert.
Die privaten Banken und Versicherer aus Deutschland wollen sich mit 2 Milliarden Euro daran beteiligen. Bis 2014 fällige Anleihen sollen erneut in Griechenland investiert werden. Die staatlichen Abwicklungsbanken der HRE und WestLB sollen nach Schäubles Angaben weitere 1,2 Milliarden Euro beisteuern.
Der haushaltspolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Carsten Schneider, kritisierte unterdessen, die ausgehandelte Beteiligung der Finanzwirtschaft sei „kein substanzieller Beitrag für eine faire Lastenverteilung zwischen öffentlicher und privater Seite“.
Zu der Unterstützung Griechenlands gebe es für die Europäer keine Alternative, sagte Allianz-Chef Michael Diekmann dem „Spiegel“. „Sich auf einen Plan B einzulassen, bedeutet, sich eine Kapuze aufzusetzen und mit 200 Stundenkilometern auf der Autobahn zu fahren.“ Eine Insolvenz Griechenlands hätte größere Auswirkungen als die Pleite der US-Bank Lehman, warnte er. Der Beitrag anderer europäischer Banken und Versicherer ist noch offen.
Schuldensünder Griechenland wird nach Einschätzung von Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker einen Teil seiner Souveränität verlieren. „Es ist wahr, die Souveränität der Griechen wird massiv eingeschränkt“, sagte Luxemburgs Premier dem Nachrichtenmagazin „Focus“. Griechenland habe jahrelang vom Euro profitiert. „Es hat durch eigenes Verschulden einige Dinge ins Rutschen gebracht. Und wenn man die jetzt wieder mit vereinten Kräften in Ordnung bringt, müssen die Griechen auch verstehen, dass eine kollektive Antwort nötig ist“, fügte Juncker hinzu. „Wir zwingen die griechische Politik mit deren Einverständnis zu einer totalen Kurskorrektur.“
Schäuble forderte zur Stärkung der griechischen Wirtschaft eine Art europäischen Marshallplan. „Entscheidend ist, dass Europa stärker als bisher bereit sein muss, Griechenland dabei zu unterstützen, Wachstum zu generieren.“ Hier lägen auch „beträchtliche Aufgaben und Chancen für die deutsche Wirtschaft.“ Nach Überzeugung der deutschen Industrie benötigt das Land ein langfristiges Investitionsprogramm.
Der Chefvolkswirt der Dekabank, Ulrich Kater, sagte der Finanznachrichtenagentur dpa-AFX: „Der griechische Patient wurde stabilisiert, mehr leider noch nicht.“ Nun komme es vor allem darauf an, wie schnell das Land Fortschritte bei der Reform seines Wirtschaftssystems macht.
Die polnische Regierung macht sich vor diesem Hintergrund für einen verfeinerten Werkzeugkasten für Hilfen zugunsten angeschlagener Mitgliedsstaaten stark. Die Mechanismen, die für Griechenland, Irland und Portugal geschaffen wurden, müssten noch verbessert werden, sagte der Finanzminister Jacek Rostowski, der am 1. Juli den Vorsitz über den Rat aller EU-Finanzminister übernommen hat.