Griechenland verhandelt über sein Schicksal

Athen/München (dpa) - In Griechenland sind die seit Wochen andauernden Gespräche über einen Schuldenschnitt und weitere Milliardenhilfen der internationalen Kreditgeber am Wochenende in eine weitere Runde gegangen.

Finanzministers Evangelos Venizelos verhandelte bis in die frühen Morgenstunden und am Samstagnachmittag mit Experten der sogenannten Troika aus Vertretern der EU, des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB). Anschließend wollte er Ministerpräsident Lucas Papademos über den Stand informieren.

Es sei „die Stunde der Entscheidungen“ für das hochverschuldete Euro-Land, sagte Venizelos in Athen. Alles sei „auf Messers Schneide“, hieß es. Die Gespräche mit der Troika sollten nach dpa-Informationen am Abend diesmal mit Ministerpräsident Lucas Papademos fortgesetzt werden.

Am Nachmittag hatte der Finanzminister seine Amtskollegen in der Eurogruppe über die laufenden Gespräche informiert. Die Experten der Troika beurteilen die Fortschritte Griechenlands bei den Reformbemühungen als Voraussetzung für das geplante zweite Rettungspaket im Volumen von mindestens 130 Milliarden Euro. Die Gespräche seien nach Angaben von Venizelos schwierig verlaufen.

Die Verhandlungen müssten bis Sonntagabend abgeschlossen sein, erklärte Venizelos erneut - schon seit Tagen nennt er dieses Datum. Eine Frist laufe zwar nicht ab, die Verhandlungen könnten auch in den kommenden Tagen abgeschossen werden, es sei aber sehr wichtig, dass es eine Einigung gibt, verlautete aus dem Finanzministerium. „Je schneller, desto besser“, hieß es.

Ein für Samstagnachmittag geplantes Treffen von Ministerpräsident Papademos mit den Vorsitzenden der Parteien, die seine Regierung unterstützen - Sozialisten, Konservative und eine kleine rechtsgerichtete Partei - wurde um 24 Stunden verschoben, teilte Papademos' Büro mit. Bei der Zusammenkunft sollen weitere harte Sparmaßnahmen beschlossen werden, die hauptsächlich den privaten Sektor betreffen. Die Einschnitte sollen nach Schätzungen der Gewerkschaften bis zu 25 Prozent weniger Lohn mit sich bringen. Zudem sollen bis 2015 etwa 150 000 Staatsbedienstete entlassen werden.

Rund 5000 Autonome und außerparlamentarische Linke protestierten am Samstag im Zentrum Athens friedlich gegen die Sparpolitik.

Auch die Verhandlungen mit dem Internationalen Bankenverband IIF über einen Schuldenerlass sollten am Wochenende fortgesetzt werden. Nach dpa-Informationen wurde dazu am Sonntag und Montag auch dessen Vorsitzender, Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, in Athen erwartet. Eine Einigung auf einen freiwilligen Schuldenschnitt mit den privaten Gläubigern, darunter Banken und Hedge-Fonds, ist auch Voraussetzung für weitere Hilfen der Troika.

Ackermann warnte am Samstag auf der Münchner Sicherheitskonferenz vor einer Insolvenz Griechenlands und einem Auseinanderbrechen der Eurozone. In einem solchen Fall würde es zu kaum vorstellbaren Kollateralschäden kommen. Eine besondere Gefahr sei die der Ansteckung anderer Krisenländer. „Es geht nicht nur um Griechenland, sondern um Europa.“

Athen benötigt eine Art Gesamtlösung mit Troika-Hilfen, Banken-Schuldenschnitt und innenpolitischer Zustimmung. Dass dies noch am Wochenende gelingt, gilt als unwahrscheinlich. Selbst eine Einigung mit dem IIF hätte zudem nur begrenzte Aussagekraft, da abgewartet werden müsste, wie viele private Investoren dann auch tatsächlich mitziehen. Parallel war in den vergangenen Tagen eine Debatte über eine mögliche Beteiligung der EZB entfacht, die Schätzungen zufolge der größte Gläubiger Athens ist.

Nach einem Bericht der griechische Zeitung „Ta Nea“ könnte das Volumen des Schuldenschnitts unter anderem mit EZB-Beteiligung von 100 auf 170 Milliarden Euro ausgeweitet werden. Demnach würden 147 Milliarden Euro auf die privaten Gläubiger und 23 Milliarden Euro auf öffentliche wie die Notenbank entfallen. Dies wollte das Finanzministerium in Athen am Samstag nicht kommentieren.

Für eine EZB-Beteiligung warb auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. „Wir wollen nicht, dass die öffentlichen Gläubiger an Griechenland verdienen. Das wäre aber der Fall, wenn sie beim Schuldenschnitt nicht mitmachen würden“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Samstag).

FDP-Generalsekretär Patrick Döring forderte Athen in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Samstag) zu mehr Sparanstrengungen auf. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Union, Peter Altmaier (CDU), sagte dem „Tagesspiegel am Sonntag“: „Aus Griechenland haben wir häufig Erklärungen des guten Willens gehört.“ Es seien aber nur wenige Reformen unter Dach und Fach.