Gute Aussichten für deutsche Industrie - aber Sorge um Krim-Krise
Hannover (dpa) - Zum Start der Hannover Messe ist die Industrie in Frühlingsstimmung. Sorgenfalten gibt es bei den Hausaufgaben für die Zukunft - oder beim Blick auf Russland. Industrievertreter hoffen auf ein Handelsabkommen mit den USA, der Verfassungsschutz sorgt sich um Know-how-Diebstahl.
Die deutsche Industrie sieht sich zum Start ihrer Weltleitmesse in Hannover vor einem Jahr mit spürbarem Wachstum. Doch allen positiven Vorzeichen zum Trotz hielten der Trend zur digitalisierten Wirtschaft, die umstrittene Energiewende und der Fachkräftemangel auch etliche unsichere Vorzeichen bereit. Zudem wächst die Sorge, dass sich die politische Krise auf der Krim auch zu einer wirtschaftlichen Belastungsprobe fürs Russlandgeschäft auswächst. Der Verfassungsschutz sorgt sich zudem um ein gesteigertes Risiko beim Know-how-Klau und will die Wirtschaft verstärkt beraten.
Die nackten Zahlen stimmen zunächst zuversichtlich: „Die globale Wirtschaftstätigkeit wird weiter anziehen“, sagte der Präsident des Industriebranchenverbandes BDI, Ulrich Grillo. Gute Aussichten etwa für die Absatzmärkte USA und Japan stimmten ihn optimistisch. „Ein Exportzuwachs von fünf Prozent ist unsere Schätzung“, sagte er. Die BDI-Jahresprognose sieht er weiter bei einem Plus der bundesweiten Wirtschaftsleistung (BIP) „in einer Größenordnung von zwei Prozent“. 2013 hatte die deutsche Wirtschaft nur dank der Verbraucher-Kauflaune preisbereinigt ein Mini-Wachstum von 0,4 Prozent geschafft.
Auch die Maschinenbauer sind guter Dinge. Nach einem Dämpfer bei den Auftragseingängen zum Jahresstart hoffen sie nun auf spürbar mehr Bestellungen. Im Januar/Februar habe der Auftragseingang im deutschen Maschinen- und Anlagenbau mit ein Prozent Zuwachs zum entsprechenden Vorjahreszeitraum stagniert, so der Branchenverband VDMA. „Da beißt die Maus keinen Faden ab: Ein Aufschwung sieht anders aus“, sagte VDMA-Präsident Reinhold Festge. Dennoch halte der VDMA für 2014 seine Wachstumsprognose aufrecht. Er peilt plus drei Prozent bei der Produktion an, die zeitversetzt aus den Ordereingängen resultiert.
Deutschlands industrielles Know-how soll künftig stärker gegen Spionage und Diebstahl geschützt werden. Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen unterzeichnete in Hannover eine entsprechende Absichtserklärung mit dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Der Schaden erreiche immer größere Ausmaße, betont der Verfassungsschutz. Die Behörde will angesichts der wachsenden Gefahr einer Ausspähung von Unternehmen und ihres technologischen Fortschritts stärker mit der Wirtschaft zusammenarbeiten und ihre Beratung intensivieren.
Übereinstimmend mahnte die Industrie mehr Transparenz, Sicherheit und Tempo bei der Energiewende an, die in politischen Reformen steckt. Grillo: „Bedauerlich ist, dass die entscheidenden Schritte, die Kosten insgesamt zu stoppen, immer noch nicht absehbar sind.“ Die Entlastungen von der EEG-Umlage seien essenziell als Standortfaktor. Er hatte bereits am Vortag vor der Gefahr einer schleichenden Abwanderung energieintensiver deutscher Betriebe gewarnt.
Aus Mangel an verlässlichen Einnahmegarantien werden viele Planungen für neue Kraftwerke in Deutschland zur Zeit überprüft. 43 Prozent aller geplanten Kraftwerksneubauten würden inzwischen in Frage gestellt, teilte der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) auf der Messe mit.
Judy Reinke, Vize-Staatssekretärin aus der US-Außenhandelsabteilung, warb auf einer Veranstaltung zum geplanten Handelsabkommen zwischen der EU und den USA mit günstigen US-Stromkosten von regional um die 5 Cent/Kilowattstunde. „Wir erleben zur Zeit eine Energierevolution“, sagte sie. Zu Befürchtungen der Bundestagsabgeordneten Edelgard Buhlmann (SPD) nach einer Aufweichung von Sozialstandards eingehend sagte sie mit Blick auf das Abkommen: „Niemand hat die Absicht, Standards zu senken.“ Auch US-Handelskammerchef Tom Donohue betonte: „Was wir brauchen, sind kompatible Regulierungen.“
Einig waren sich BDI und VDMA beim Thema Krim-Krise. Sie warnten vor einer weiteren Eskalation, stärkten der Politik aber gleichzeitig den Rücken. „Es ist völlig klar, dass hier ein eklatanter Bruch des Völkerrechtes begangen wurde“, sagte VDMA-Präsident Festge. Ähnlich äußerte sich der oberste Industrierepräsentant Grillo vom BDI.
Kritische Töne gab es bei Einschätzungen zur Wettbewerbsfähigkeit für den Erfolg von Morgen. So fürchtet der Technikverband VDE im Rennen um Spitzenforschung einen Rückfall. Er vertritt die Schlüsselbranchen Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik. So sorge sich die deutsche Hochschullandschaft, dass die Budgets für akademische Lehre und Forschung 2014 eher sinken und Förderung bestenfalls stagniere.