Hebesatz — eine verhängnisvolle Verführung

Höhere Grund- und Gewerbesteuer hilft den Kommunen nur kurzfristig. Langfristig drohen Risiken.

Düsseldorf. Hebesatz — das Wort klingt spröde, enthält aber umso mehr Sprengkraft. Wenn NRW-Kommunen bei den Hebesätzen für die Grundsteuer B und für die Gewerbesteuer im Bundesdurchschnitt die höchsten Steigerungsraten und Spitzenwerte vermelden, ist dies ein schlechtes Zeichen — für den Bürger und für den Wirtschaftsstandort.

Hebesatz — das ist ein von der Kommune festgelegter Faktor, der für die Ermittlung der Steuerschuld entscheidend ist. Ein Beispiel anhand der Grundsteuer B, die nicht nur Immobilieneigentümer trifft, sondern auch Mieter, auf die die Grundsteuer anteilig umgelegt werden darf: Für eine Eigentumswohnung mit dem Steuermessbetrag von 105 Euro wird bei einem Hebesatz von 460 der Wert von 105 mit 460 Prozent bzw. 4,6 multipliziert. Die Grundsteuer beträgt in dem Fall 483 Euro pro Jahr.

„In den vergangenen Jahren gab es eine Welle von Steuererhöhungen, vor allem in Regionen mit einer großen Zahl finanzschwacher Kommunen“, sagt Hans-Peter Busson von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst&Young, deren Studie die für NRW erschreckende Entwicklung aufzeigt. Heute seien die durchschnittlichen Hebesätze in NRW am höchsten — und die NRW-Kommunen liegen auch bei der kommunalen Verschuldung mit den hessischen und den saarländischen Kommunen bundesweit an der Spitze.

Hans-Peter Busson analysiert: „Viele Kommunen stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand. Gerade die finanzschwachen Kommunen haben ihre Angebote bereits auf das gesetzliche Minimum reduziert — da erscheinen Steuererhöhungen als probates Mittel.“

Sowohl in NRW als auch in Hessen knüpften die Länder ihre Hilfe für notleidende Kommunen daran, dass diese einen eigenen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten. Und dazu zählten eben auch Steuererhöhungen. Busson räumt ein, dass höhere Gewerbe- und Grundsteuerhebesätze kurzfristig zwar mehr Geld in die Kassen spülen. Mittel- und langfristig könnte dadurch der Standort aber an Attraktivität verlieren, Unternehmen könnten abwandern, Neuansiedlungen von Firmen würden unwahrscheinlicher.

Der Wirtschaftsexperte warnt, dass die Städtelandschaft sich zu einer Zweiklassengesellschaft entwickeln werde: „Dank der relativ guten konjunkturellen Lage und entsprechend steigender Steuereinnahmen können die wirtschaftsstarken Städte weiter in ihre Infrastruktur investieren und dabei noch Schulden abbauen — ganz ohne Steuererhöhungen.“

Gleichzeitig müssten die hoch verschuldeten Städte in wirtschaftsschwachen Regionen einen strikten Konsolidierungskurs fahren und dabei auf Einsparungen und Steuererhöhungen setzen — worunter die Anziehungskraft für Unternehmen und Bürger weiter leide. Bussons Fazit: „Das ist ein Teufelskreis aus hoher Verschuldung, steigenden Steuern und Gebühren sowie sinkender Attraktivität.“