Helenen sollen über Sparkurs abstimmen

Athen/Berlin (dpa) - Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou hat seine Euro-Partner brüskiert und die Finanzmärkte weltweit in neue Unsicherheit gestürzt.

Die Börsen reagierten am Dienstag mit kräftigen Verlusten auf seine Ankündigung, dem griechischen Volk die neuesten Sparpläne zur Abstimmung vorzulegen. Erst vor wenigen Tagen hatte der gefeierte Brüsseler Doppelgipfel das neuerliche Hilfspaket für Athen nach mühsamen Verhandlungen festgezurrt - jetzt gehen die Kurse wieder auf Talfahrt.

Die EU-Partner hat der Vorstoß offensichtlich kalt erwischt: Berlin sei völlig überrascht, hieß es am Dienstag in Regierungskreisen. Offiziell wurde der Plan am Vorabend lediglich als „innenpolitische Entwicklung in Griechenland“ bezeichnet, „über die die Bundesregierung bisher keine offiziellen Informationen habe und die sie deswegen auch nicht kommentiere“, wie das Bundesfinanzministerium mitteilte.

An den Börsen gingen die kräftigen Gewinne der Vorwoche wieder verloren: In Frankfurt stürzte der Dax am Vormittag um bis zu 4,4 Prozent auf rund 5872 Punkte - nach dem Gipfel war er binnen kurzer Zeit bis über 6400 Punkte geklettert. Das gleiche Bild bot der Euro: Die europäische Gemeinschaftswährung sackte sogar unter die Marke von 1,37 Dollar. Die Gipfelbeschlüsse hatten ihn noch in Richtung 1,42 Dollar gehoben.

In der Athener Presse wurde Papandreous Plan am Dienstag als großes politisches Wagnis interpretiert. „Die griechische Regierung hat bereits ihren politischen Bankrott erklärt“, titelte die führende Zeitung „Eleftherotypia“. „Das Land war bereits in Schwierigkeiten, mit der Volksabstimmung findet es sich nun am Rande des Abgrunds wieder.“ Die neue politische Entwicklung sei ein großes Risiko für die Regierung, meinte die Zeitung „Ta Nea“. Vertrauensabstimmung und Referendum seien mit Blick auf den Ausgang ein doppeltes Glücksspiel, schrieb „Ethnos“.

Schwedens Außenminister Carl Bildt schrieb in der Nacht zum Dienstag in einer Twitter-Mitteilung: „Es gelingt mir wirklich nicht zu verstehen, worüber Griechenland ein Referendum haben will. Gibt es denn echte Optionen?“ In seinem Internetblog meinte der konservative Stockholmer Minister am Dienstag weiter: „Der gestrige Bescheid aus Athen, dass Regierungschef Papandreou irgendeine Art der Volksabstimmung plant, hat die Bewältigung dieser Situation nicht gerade leichter gemacht.“ Diese Probleme würden nun den in Cannes bevorstehenden G20-Gipfel „mit absoluter Sicherheit dominieren.“

Papandreou hatte am Montagabend angekündigt, die Bürger zu befragen, ob sie den neuen Hilfszusagen der internationalen Geldgeber zustimmen wollten oder nicht. Papandreou steht innenpolitisch schwer unter Druck. Sein Rivale von der konservativen Nea Dimokratia, Andonis Samaras, und Teile seiner Regierungspartei Pasok verweigern sich der dringend nötigen Sanierung der Staatsfinanzen. Auch die Gewerkschaften leisten Widerstand. Seit Monaten gibt es immer wieder Proteste und Massenstreiks.

Unklar blieb auch am Dienstag, wann genau das Referendum stattfinden und wie genau die Fragestellung lauten soll. Welche Konsequenzen ein Nein der Bevölkerung hätte, blieb ebenfalls unklar. Papandreou sprach davon, dass Ergebnis sei für die Regierung bindend.

Der FDP-Fraktionschef und frühere Wirtschaftsminister Rainer Brüderle erwartet einen Staatsbankrott Griechenlands für den Fall, dass die überraschend angekündigte Abstimmung negativ ausgeht. Sollte das Volk die vereinbarten Reformen nicht mittragen, „dann haben wir die Situation des Staatsbankrotts“, sagte Brüderle im Deutschlandfunk. „Dann müssen die anderen Länder sich schützen. Und Griechenland muss sehen, mit welchen Wegen es aus der Misere herauskommt. Ob sie im Euro bleiben können, ob sie austreten.“

Der Referendums-Schritt sei „natürlich volles Risiko“, sagte SPD-Fraktionsvize Gernot Erler am Dienstag im ZDF-Morgenmagazin. Papandreou setze darauf, dass es über die Volksabstimmung eine bessere Basis für das Rettungspaket gibt. „Das kann natürlich auch scheitern, und dieses Risiko geht er offenbar ein.“

Fraglich bleibt auch, welche Konsequenzen die überraschende Entwicklung aktuell für den Sparkurs in Athen hat. Das Berliner Finanzministerium betonte, der Gipfel der Staats- und Regierungschefs der Eurozone habe in der vergangenen Woche „klare Erwartungen“ formuliert. „Demnach soll das zweite Hilfspaket für Griechenland bis Ende diesen Jahres stehen. Daran arbeiten wir alle zur Zeit mit hoher Intensität.“

Die 17 Staats- und Regierungschefs der Euroländer hatten unter anderem ein neues 100-Milliarden-Euro-Paket für Athen beschlossen. Private Gläubiger wie Banken und Versicherer verzichten nun auf die Hälfte ihrer Forderungen. Anfang 2012 sollen alte gegen neue griechische Anleihen getauscht werden. Die Beschlüsse des Gipfels waren in Griechenland auf heftige Kritik gestoßen. Die Regierung hatte versucht, Ängste in der Bevölkerung vor Verlusten von Sparguthaben und Pensionen zu zerstreuen.