Hochtief-Chef muss seinen Posten räumen
Essen (dpa) - Aus für den Hochtief-Chef: Herbert Lütkestratkötter nimmt beim größten deutschen Baukonzern kurz vor der Machtübernahme durch die spanische ACS seinen Hut. Damit ist auch eines der letzten Hindernisse für den Angreifer aus Madrid aus dem Weg geräumt.
Auslöser des überraschenden Führungswechsels waren tiefrote Zahlen bei der australischen Hochtief-Tochter Leighton. Nachfolger an der Hochtief-Spitze soll nach Angaben vom Montag der 52-jährige Manager Frank Stieler werden, der seit 2009 das Hochtief-Europageschäft verantwortet und als ACS-Wunschkandidat gilt. Zudem müssen die Essener ihre Gewinnziele senken - Grund ist das tiefe Minus bei Leighton. Als Reaktion stürzte die Hochtief-Aktie ab: Bis zum Nachmittag verlor das Papier knapp 9,0 Prozent auf rund 62,60 Euro. Bereits seit Tagen war der Aktienkurs vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Probleme bei der Tochter im freien Fall gewesen.
Lütkestratkötter wird mit Ablauf der Hauptversammlung am 12. Mai aus dem Vorstand ausscheiden. Versüßt wird ihm sein Abschied mit einer Abfindung von 4,08 Millionen Euro. Die Vereinbarung orientiere sich an einer Klausel, die Mitgliedern des Hochtief-Vorstands bei einem Kontrollwechsel innerhalb von sechs Monaten das Ausscheiden ermöglicht, sagte Lütkestratkötter am Montag bei einer Telefonkonferenz. Vorgesehen ist dort eine Abfindung von zweieinhalb Jahresbezügen.
Lütkestratkötter (Spitzname: „Dr. Lü“) hatte lange für die Unabhängigkeit des Essener Unternehmens gekämpft und dabei wohl das Vertrauen von ACS und dessen Lenker Florentino Perez verloren. „Man kann es zwangsläufig nicht allen recht machen“, sagte Lütkestratkötter am Montag. Das spanische Unternehmen hält nach eigenen Angaben bereits über 40 Prozent an Hochtief und peilt die Mehrheit an.
Der designierte Hochtief-Chef Stieler ist laut Aufsichtsratskreisen Wunschkandidat von ACS. Entsprechend euphorisch fiel die ACS-Reaktion aus Madrid aus: „Mit Frank Stieler hat der Aufsichtsrat eine hervorragende Wahl für die künftige Führung von Hochtief getroffen, und wir begrüßen diese Entscheidung. Seine Ernennung garantiert einen nahtlosen Übergang.“ Stieler habe die „volle Unterstützung und unser volles Vertrauen“.
Derzeit verhandelt Hochtief nach Angaben von Lütkestratkötter mit den Spaniern über einen Vertrag, in dem das Miteinander beider Unternehmen geregelt werden soll. „Wir müssen Spielregeln für die neue Situation festlegen“, so der scheidende Konzernchef. An der Hochtief-Spitze steht er seit April 2007; damals trat er die Nachfolge des heutigen BDI-Präsidenten Hans-Peter Keitel an.
Zum Führungswechsel dürften auch die aktuell schlecht laufenden Geschäfte beigetragen haben: Hochtief rechnet in diesem Jahr nur noch mit einem Vorsteuergewinn, der etwa halb so hoch wie im Vorjahr ausfällt.
Hintergrund: Die australische Tochter Leighton - bislang Ertragsperle von Hochtief - prognostizierte einen Verlust von 427 Millionen australischen Dollar (312 Mio Euro) für das im Juni endende Geschäftsjahr. Zu Beginn des Geschäftsjahres hatte Leighton noch einen Gewinn von 480 Millionen Dollar (350 Mio Euro) als Ziel genannt.
Die australische Tochter kämpft unter anderem mit Verspätungen und Kostenexplosionen beim Bau einer Entsalzungsanlage in Melbourne. Außerdem wurde ein Großprojekt am Flughafen in Brisbane von der Flutkatastrophe zurückgeworfen: Allein hier erwartet Leighton einen Vorsteuerverlust von 430 Millionen australischen Dollar. Beide Bauprojekte seien von Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, heftigen Niederschlägen und Winden betroffen gewesen, sagte Lütkestratkötter.
Die Leighton-Aktie wurde in der vergangenen Woche vom Handel ausgesetzt, nachdem Spekulationen über eine Kapitalerhöhung die Runde gemacht hatten. Leighton bestätigte nun, man wolle 757 Millionen australische Dollar an frischem Kapital einsammeln. Lütkestratkötter kündigte an, dass sich auch Hochtief in vollem Umfang an der Kapitalerhöhung beteiligen werde. Die Kosten dafür bezifferte er auf rund 298 Millionen Euro. Damit werde der Anteil des Essener Unternehmens an Leighton unverändert bei 54,1 Prozent bleiben.