IG Metall: „Stress am Arbeitsplatz wird zur Zeitbombe“
Berlin (dpa) - Die IG Metall schlägt Alarm: In der „explosiven Zunahme“ psychischer Erkrankungen bei Arbeitnehmern sieht die größte deutsche Einzelgewerkschaft eine große Gefahr für Wirtschaft und Gesellschaft.
„Hier tickt nichts Geringeres als eine gesellschaftliche Zeitbombe“.
Diese sagte IG-Metall-Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban am Dienstag in Berlin. Um die Beschäftigten vor immer stärkerer Arbeitsverdichtung, vor psychischer und physischer Erschöpfung und damit vor Burnout zu schützen, forderte Urban nach dem Vorbild anderer Länder eine Anti-Stress-Verordnung. Gegen klassische Gesundheitsgefährdungen wie Lärm und Schadstoffbelastung der Luft gebe es konkrete Präventionsregeln, nur bei arbeitsbedingtem Stress nicht, kritisierte er. Deshalb sei der Gesetzgeber in der Pflicht.
Nach Zahlen der Krankenkassen nahmen die Symptome für Burnout zwischen 2004 und 2010 um das Zehnfache zu, zitierte Urban. Dieses Ergebnis sieht die IG Metall durch eine Blitzumfrage bei ihren Betriebsräten bestätigt. Danach wird in 86 Prozent der Unternehmen der Metall- und Elektrobranche der Anstieg psychischer Erkrankungen als ernstzunehmendes Problem wahrgenommen. Rund 40 Prozent der Betriebsräte hätten von einer starken oder sehr starken Zunahme psychischer Erkrankungen berichtet.
Die Behandlung von psychischen Erkrankungen und der damit verbundene Produktionsausfall führten zu Kosten von jährlich etwa 53 Milliarden Euro, sagte Urban unter Berufung auf das Statistische Bundesamt und Berechnungen der Betriebskrankenkassen. Nach Angaben der Krankenkasse AOK habe zuletzt Überlastung im Job bei knapp 100 000 Beschäftigten zu 1,8 Millionen Fehltagen geführt. Die IG-Metall-Umfrage von Mitte September stützt sich auf die Antworten von knapp 3900 Betriebsräten.
Nach Angaben von 68 Prozent der Betriebsräte nahmen arbeitsbedingter Stress und Leistungsdruck besonders nach der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise erheblich zu. 69 Prozent sind der Ansicht, dass es in ihrem Betrieb keine oder zu wenig Hilfen für „Ausgebrannte“ gibt. Urban sieht deshalb Betriebsräte ebenfalls am Zug, Regelungen mit den Arbeitgebern etwa gegen „überlange und überflexible Arbeitszeiten bei zu geringen Regenerationsphasen“ zu vereinbaren. Trotz harten Konkurrenzkampfes „darf Gesundheit am Arbeitsplatz nicht zur Restgröße verkommen“, sagte Urban.