Indiens Firmenpatriarch Tata zieht sich zurück
Der Chef der Gruppe wird 75 und geht in Rente. Seinem Nachfolger hinterlässt er ein bestelltes Haus.
Neu Delhi. Einen „Unfall“ nannte Ratan N. Tata seinen Eintritt in das Familienunternehmen. Eigentlich war der gelernte Architekt vor 21 Jahren nur aus den USA nach Indien zurückgekehrt, weil seine Großmutter krank war.
Doch dann trat sein Verwandter J.R.D. Tata ab und vermachte ihm den Chefposten der Tata-Gruppe. Heute geht Ratan Tata zu seinem 75. Geburtstag selbst in den Ruhestand. Aus dem indischen Konglomerat hat er einen modernen Konzern gemacht, der im vergangenen Finanzjahr 76 Milliarden Euro umsetzte und weltweit ganz oben mitspielt.
Kaum einer der 1,2 Milliarden Inder kommt im Alltag ohne Tata aus. Die mehr als 100 Firmen stellen Konsumgüter von Titanuhren bis Mineralwasser her, führen Hotels und liefern Strom, bearbeiten Metall und Chemikalien. Mit dem Tata Nano — eine Herzensangelegenheit von Ratan N. Tata — produziert der Konzern das mit etwa 2000 Euro weltweit günstigste, wenn auch nur mäßig erfolgreiche Auto. Im Herbst eröffnete Tata in einem Joint-Venture das erste Starbucks-Café des Landes.
Ratan Tatas großer Verdienst ist die Internationalisierung des Konzerns, der zwar schon bei seinem Amtsantritt das größte Privatunternehmen Indiens darstellte, aber fast nur auf dem heimischen Markt aktiv war. So erwarb die Tata-Gruppe die führende britische Teemarke Tetley und kaufte sich beim zweitgrößten Lastwagenbauer in Südkorea, Daewoo Commercial Vehicle, ein.
Die Gruppe ist heute mit rund 450 000 Mitarbeitern in mehr als 80 Ländern aktiv und generierte im zurückliegenden Finanzjahr 58 Prozent der Umsätze im Ausland. Weggefährten bescheinigen Ratan N. Tata dabei ein großes Verantwortungsbewusstsein. Die Gewinne des Konzerns fließen überwiegend in gemeinnützige Stiftungen.
Ratan N. Tatas Nachfolger, Cyrus P. Mistry, gehört im weiteren Sinne zur Familie: Seine Schwester ist mit Ratans Großcousin verheiratet. Der nun 75-Jährige wäre übrigens gern 20 Jahre jünger. Nicht, um weiter zu arbeiten. Sondern um zu erleben, wohin Indien sich noch entwickelt.