Italien nimmt Kampf gegen Schulden auf

Rom/Berlin (dpa) - Im Kampf gegen die europaweite Schuldenkrise geht in Italien ein milliardenschweres Sparpaket an den Start. Nach dem Senat billigte am Freitag auch das Abgeordnetenhaus in Rom das Programm der Regierung des umstrittenen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi.

Wirtschaftsminister Giulio Tremonti, der sein Land nach den „schwarzen“ Tagen an der Mailänder Börse am Vortag noch mit der untergehenden „Titanic“ verglichen hatte, will damit in den kommenden dreieinhalb Jahren rund 79 Milliarden Euro in die ausgebluteten Staatskassen fließen lassen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stand derweil einem baldigen Euro-Sondergipfel weiterhin sehr zurückhaltend gegenüber. Ein Sonderrat der Staats- und Regierungschefs für ein zweites Griechenlandpaket solle erst dann stattfinden, wenn er „nötig und sinnvoll“ sei, bekräftigte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. Ein Gipfeltreffen sei durchaus möglich, aber erst, wenn die Euro-Arbeitsgruppe ein Programm erarbeitet habe.

Um das neue Sorgenkind der EU, Italien, mit dem nach Griechenland zweithöchsten Schuldenstand der Eurozone aus dem Sumpf zu ziehen, soll der Plan der Regierung in Rom bereits im laufenden Jahr 3 Milliarden Euro einbringen. 2012 seien es weitere 6 Milliarden, 2013 zusätzliche 25 Milliarden und 2014 zusätzliche 45 Milliarden. Geplant sind dabei sowohl Gebührenerhöhungen als auch Streichungen von Steuervergünstigungen und staatlichen Leistungen. Jede Maßnahme nur einmal - zum Zeitpunkt ihres Eintretens - kalkuliert, sind Kürzungen von 48 Milliarden Euro vorgesehen.

„Ich würde den Italienern gerne das geben, was ich ihnen versprochen habe, nämlich Steuersenkungen“, zitierten italienische Medien den seit Tagen die Öffentlichkeit meidenden Berlusconi. „Aber die Zeiten sind schwierig und das ist im Moment nicht möglich.“ Mit 316 Pro- und 284 Gegenstimmen sowie zwei Enthaltungen ließ das Parlament die Sparmaßnahmen passieren - „in Rekordzeit“, wie italienische Medien kommentierten.

Italien muss also den Gürtel enger schnallen. Vorgesehene Gebührenerhöhungen, wie die sofort in Kraft tretenden im Gesundheitswesen, verbunden mit der Streichung von Steuererleichterungen, die ab Mitte 2013 um 5 bis 10 Prozent gekürzt werden sollen, träfen die Einkommensschwachen besonders stark und könnten die Nachfrage gravierend zurückschrauben, befürchten Kritiker.

Gespart werden soll etwa im öffentlichen Dienst: Durch Maßnahmen wie ein Einfrieren der Gehälter, strengere Regeln für Krankschreibungen und Personalreduzierungen. Im Gesundheitswesen sollen bereits ab Montag Gebührenerhöhungen in Kraft treten, auf hohe Renten (ab 90 000 Euro im Jahr) soll ab 2012 eine Solidaritätssteuer von 5 bis 10 Prozent erhoben werden. Auch Privatisierungen - zuerst auf kommunaler Ebene - werden ins Auge gefasst.

Tremonti, der im Ausland im Gegenteil zu Regierungschef Berlusconi als Garant für Seriosität in Italien gilt, erhofft sich von all dem mindestens den Ausgleich des laufenden Defizits. Schon 2011 solle dieses auf 3,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), 2012 auf 2,7 Prozent und 2013 auf 1,5 Prozent gedrückt werden. 2014 soll der Haushalt dann ausgeglichen sein.

Nach Griechenland hat Italien - bei strukturellen Defiziten und niedrigem Wachstum - den zweithöchsten Schuldenstand im Euroland. Bei einer für 2011 vom Internationalen Währungsfonds (IWF) auf 120,6 Prozent des BIP geschätzten Staatsverschuldung ist Sparen dringend nötig. Nach den Euro-Regeln sind eigentlich nur 60 Prozent erlaubt. Italien war aber schon 1999 mit einem deutlich größeren Schuldenberg von mehr als 100 Prozent des BIP in die Währungsunion gestartet.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht den Euro als Ganzes durch die Schuldenprobleme Griechenlands bedroht. Weil an den Märkten bezweifelt werde, dass Griechenland seine Schulden tragen könne, habe das Land eine Vertrauenskrise des Euro ausgelöst. Die Euro-Gruppe arbeite an „zügigen Lösungen“ für das Griechenland-Problem, sagte Schäuble in einem Interview mit den Zeitungen der WAZ-Gruppe (Samstag), das am Freitag online verbreitet wurde. Schäuble plädierte für strengere Regeln an den Finanzmärkten und eine stärke Aufsicht der Ratingagenturen.