Arbeitsmarkt Jobwunder ist nur Teilzeitwunder

Weniger Vollzeitstellen als vor 25 Jahren / Kritik der Opposition.

Symbolbild

Foto: dpa

Berlin. Trotz des anhaltenden Beschäftigungsbooms liegt die Zahl der Vollzeitarbeitnehmer in Deutschland immer noch deutlich unter dem Stand kurz nach der Wiedereinigung. Im Gegenzug hat jedoch die Teilzeitarbeit kräftig zugelegt. Das geht aus Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor, die unserer Zeitung vorliegen.

Das Jobwunder in Deutschland ist jedenfalls im Langzeitvergleich eher ein Teilzeitwunder. Gab es 1991 noch 28,9 Millionen Vollzeitarbeiter, so wurden im zweiten Quartal dieses Jahres knapp 24,2 Millionen gezählt. Das sind 4,7 Millionen Vollzeitbeschäftigte weniger als noch vor einem viertel Jahrhundert. Gleichzeitig ist die Zahl der Teilzeitarbeiter in diesem Zeitraum drastisch von 6,3 auf gut 15 Millionen gestiegen.

Neben den versicherungspflichtig Tätigen fallen darunter die geringfügig Beschäftigten sowie alle Ein-Euro-Jobber. Parallel dazu ist auch das Arbeitsvolumen zwischen 1991 und 2015 von 51,8 Milliarden auf 49,7 Stunden zurückgegangen. Das heißt, eine etwas geschrumpfte Gesamtarbeitszeit verteilt sich heute auf deutlich mehr Beschäftigte als noch vor 25 Jahren.

Die Daten sind gewissermaßen amtlich, denn das IAB gehört zur Bundesagentur für Arbeit. Kurz nach der Wiedervereinigung gab es allerdings noch einen besonders hohen Beschäftigungsstand, der in der Folgezeit wegen des Zusammenbruchs der Wirtschaft in der ehemaligen DDR rasant zurückging. Seit 2010 hat die Anzahl der Vollzeitjobs wieder kontinuierlich zugenommen, während die der Teilzeitarbeitsplätze schon seit 1991 fast durchweg nach oben ging.

IAB-Expertin Susanne Wanger sieht die Entwicklung durchaus positiv. "Teilzeit ist per se nicht schlecht zu bewerten, wenn jemand 30 Wochenstunden arbeiten möchte und ihm damit gelingt, Privates und Berufliches besser unter einen Hut zu bringen, dann birgt Teilzeit durchaus Vorteile", sagte Wanger unserer Zeitung.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden arbeiteten im vergangen Jahr allerdings 11,7 Prozent der teilzeitbeschäftigten Frauen nur deshalb verkürzt, weil sie keinen Vollzeitjob gefunden hatten. Unter den teilzeitbeschäftigten Männern waren es sogar 17,7 Prozent. Insgesamt würde demnach etwa jeder achte Teilzeitjobber (12,9 Prozent) länger arbeiten wollen.

"Teilzeitstellen reichen meist nicht zum Leben. Wer heute nur in Teilzeit arbeitet muss morgen Altersarmut fürchten", kritisierte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linken, Sabine Zimmermann gegenüber unser Zeitung. Auch die Arbeitsmarktexpertin der Grünen, Brigitte Pothmer, sieht in der wachsenden Teilzeitarbeit ein Problem für die Alterssicherung. "Dabei würden gerade Frauen gern deutlich mehr arbeiten", so Pothmer. Nötig sei mehr Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung.

Im Bundesarbeitsministerium gibt es dazu durchaus entsprechende Pläne. "Teilzeit ist für viele Menschen ein Modell, das sie gern vorübergehend in Anspruch nehmen", erklärte ein Sprecher des Ressorts auf Anfrage. "Wer wieder aufstocken will, der soll dafür bessere rechtliche Möglichkeiten bekommen. Da sind wir dran."

Nach geltendem Recht besteht nur ein Anspruch, von Voll- in Teilzeit zu wechseln. Laut ihrer Koalitionsvereinbarung wollen Union und SPD "sicherstellen", dass Betroffene, die sich zu einer zeitlich befristeten Teilzeitarbeit entschlossen haben, "wieder zur früheren Arbeitszeit zurückkehren können". Wann es dazu einen in der Koalition abgestimmten Gesetzentwurf geben wird, wusste man im Arbeitsministerium allerdings nicht zu sagen.