Studie Frontalangriff auf die Fernwärme

Studie ergibt höhere Kosten und ökologische Nachteile gegenüber der dezentralen Heizungssanierung

Fernwärme ist für Verbraucher in der Regel mit höheren Kosten verbunden.

Foto: IWO

Berlin. Man kann schon von einem Frontalangriff auf die Fernwärme sprechen: Nach dem Kartellamt und der Verbraucherzentrale gibt es nun auch von wissenschaftlicher Seite erhebliche Einwände gegen den weiteren Ausbau der Netze. Und damit Argumente gegen den Anschlusszwang in vielen Gemeinden. Am Donnerstag wurde in Berlin eine umfangreiche Studie veröffentlicht.

Zwar ist die Untersuchung ein Auftragswerk der Branchenverbände für Sanitär- und Heizungstechnik, doch wurde sie von zwei renommierten Forschungseinrichtungen aus Dresden und der TU Darmstadt erstellt. Die Ergebnisse: Weder aus energetischer noch aus wirtschaftlicher Sicht ist die Bevorzugung der Fernwärme gerechtfertigt. Im Gegenteil: Der Austausch der Heizanlagen in den Häusern ist meist günstiger und effektiver als der Anschluss an das Netz - bei einem Einfamilienhaus in 20 Jahren um 14.757 Euro, rechneten die Forscher vor. Eine bundesweite Komplettumstellung auf Fernwärme würde 160 Milliarden Euro kosten, eine Komplettsanierung aller Heizungsanlagen demgegenüber wegen der Energieersparnis unter dem Strich sogar 90 Milliarden Euro bringen.

Der Vorteil einer dezentralen Modernisierung gilt, rechneten die Institute vor, für alle Haustypen. Und zwar nicht nur im Vergleich zu reinen Wärmekraftwerken, sondern auch zu Fernwärmeanlagen, die mit Kraft-Wärme-Kopplung auf Basis fossiler Brennstoffen arbeiten. Bei Fernwärme aus erneuerbaren Energien liegen beide Seiten etwa gleichauf, allerdings auch hier mit tendenziellen Nachteilen für die Fernwärme. Denn je mehr sie ausgebaut wird, umso mehr wiegen die Netzverluste. Ebenso gerät die zentrale Versorgung ins Hintertreffen, je besser die Häuser isoliert sind. Nur wenn die Fernwärme aus Abwärme gespeist werde, die sowieso entstehe, etwas bei industriellen Prozessen, sei ihre Nutzung wirklich sinnvoll. Auch räumten die Forscher ein, dass in sehr dichten Stadtgebieten Vorteile bestehen können.

Mietern entgehen beim Anschluss an Fernwärme Sparmöglichkeiten. Bei einer Heizungssanierung nur in ihrem Haus könnten sie in 20 Jahren 33 Euro pro Quadratmeter Kosten sparen, bei der Fernwärme hätten sie im gleichen Zeitraum hingegen 4,13 Euro Mehrkosten pro Quadratmeter. Andersherum ist es bei den Vermietern. Da sie die den Modernisierungsaufwand immer umlegen können, haben sie in beiden Fällen Gewinne. Bei der Fernwärme sogar etwas mehr als bei der dezentralen Sanierung. Die Fernwärme ist also eher vermieterfreundlich. Die Darmstädter Wirtschaftsforscher rieten beiden Seiten dazu, "Beutegemeinschaften" zu bilden und die derzeit niedrigen Zinsen auszunutzen, um die eigenen Häuser energetisch zu sanieren. Den Vorteil könne man sich dann teilen.

Derzeit werden 13,5 Prozent aller Wohnungen, das sind rund sechs Millionen, mit Fernwärme versorgt, vor allem Mehrfamilienhäuser, wo der Anteil regional bis 40 Prozent steigen kann. Vor allem in Ostdeutschland. Tendenz steigend, da viele Kommunen mit ihren Stadtwerken auf diese Energieform setzen. In Zeiten schwankender Preise an den Strombörsen haben sie so noch eine zweite, sichere Einnahmequelle für ihre Anlagen. Zumal wenn ein Anschlusszwang gilt. Die Verbraucherzentrale Bundesverband hatte bereits im Februar mangelnde Preistransparenz und "monopolistische Strukturen" kritisiert; das Kartellamt hatte einzelne Versorger zu Preissenkungen gezwungen.