Vorwerk Jörg Mittelsten Scheid: Direktvertrieb ist sein Erfolgsgeheimnis

Samstag wird Jörg Mittelsten Scheid, der langjährige Lenker und Gesellschafter der Vorwerk & Co KG, 80 Jahre alt.

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Wuppertal. Die Konzentration aufs Wesentliche war vermutlich das, was der Wuppertaler Vorwerk & Co KG den Weg in eine erfolgreiche Zukunft geebnet hat. Und örg Mittelsten Scheid ist der Mann hinter dieser Entscheidung. Am Samstag wird der ehemalige persönlich haftende Gesellschafter des Familienunternehmens 80 Jahre alt. „Das war richtig“, sagt er heute noch. Die Produktpalette ist auf sein Betreiben hin vor Jahren von 24 auf sechs Produkte gesenkt worden, ohne Umsatz zu verlieren. Weniger also, aber dafür richtig gut und auf jeden Fall besser als die Konkurrenz.

Das und der Direktvertrieb machen den Erfolg des Unternehmens aus. Gut 591 000 selbstständige Berater sind weltweit für das 1883 gegründete Unternehmen unterwegs. Sie verkaufen den Staubsauger Kobold, die Küchenmaschine Thermomix, neuerdings auch Akku-Werkzeuge für den Hausgebrauch. Die heißen Twercs. Zielgruppe sind in erster Linie Frauen.

„Den Thermomix gibt es, weil wir damals in Frankreich mit den Staubsaugern nicht richtig vorankamen. Er ist also vor mehr als 40 Jahren aus einer Not heraus entstanden“, sagt Mittelsten Scheid. Die Staubsauger laufen inzwischen auch in Frankreich wieder deutlich besser. Aber der Thermomix ist mittlerweile der Umsatzgarant des Unternehmens. Die Produktion hält mit der Nachfrage kaum Schritt. Das führt dazu, dass Vorwerk seine Kapazitäten im Wuppertaler Stadtteil Laaken derzeit ausbaut.

Es gehört zur Philosophie des promovierten Juristen für Völkerrecht und einstigen Konzernlenkers, dass es keine Denkverbote gibt. Unternehmensführung ist auch Menschenführung. Dafür müsse jeder seinen Kopf öffnen, sagt Mittelsten Scheid. Bei den Firmenlenkern moderner Prägung vermisst er zuweilen den Weitblick, das interdisziplinäre Interesse, das er in seiner Studienzeit noch entwickeln konnte. Ausflüge in Geschichts- und Politikwissenschaften oder auch in die Medizin haben aus dem Menschen Mittelsten Scheid den international denkenden und handelnden Unternehmer gemacht. Immer offen für Neues, immer offen für die Ideen, die seine Mitarbeiter ihm vortragen und die sich zuletzt in den neuen, frauengerechten Akku-Werkzeugen Twercs manifestierten.

Dass Jörg Mittelsten Scheid Teil der Erfolgsgeschichte des Unternehmens werden würde, war nicht unbedingt absehbar. Mittelsten Scheid ist promovierter Jurist für Völkerrecht. Aber sein Onkel Erich holte ihn in den Betrieb. „Ich habe diese Familientradition physisch empfunden. Aber als Freude, nicht als Last“, sagt er.

Mittelsten Scheid war über vier Jahrzehnte persönlich haftender Gesellschafter von Vorwerk. 2006 wechselte er als Vorsitzender in den Beirat. Seit 2013 ist er Ehrenvorsitzender dieses Gremiums.

Im Rückblick auf seine Karriere im Familienunternehmen kann Mittelsten Scheid für sich in Anspruch nehmen, vieles richtig gemacht zu haben. Vor allem das Bekenntnis zum Direktvertrieb steht auf der Habenseite seiner Bilanz. Auf der Soll-Seite tauchen Fertighäuser auf, die Vorwerk einmal verkaufte, obwohl Mittelsten Scheid größte Bedenken hatte. „Aber alle waren so begeistert. Da habe ich zugestimmt.“ Das Geschäft erwies sich als Flop. Das galt auch für die Fertigküchen, die Vorwerk im Portfolio hatte. Von diesem Produkt war allerdings auch der Chef selbst überzeugt.

Auf Mittelsten Scheid geht auch die Öffnung des Unternehmens zurück. Auf sein Betreiben hin endete die Ära, in der nur Familienmitglieder bei Vorwerk das Sagen hatten. Er holte familienfremde Gesellschafter an Bord. „Bis auf zwei mal hat das in all den Jahrzehnten auch gut funktioniert.“

Heute führen Reiner Strecker, Frank van Oers und Rainer Christian Genes den Konzern als persönlich haftende Gesellschafter. Mittelsten Scheid fungiert in der Zentrale am Mühlenweg im Wuppertaler Stadtteil Barmen als so etwas wie eine graue Eminenz. Er lässt die Gesellschafter gewähren, steht aber mit Rat zur Seite, wenn er darum gebeten wird.

Neben seinem Wirken als Unternehmenslenker war Jörg Mittelsten Scheid auch Vertreter der Wirtschaft gegenüber der Politik. Er war unter anderem Präsident von Eurochambres, dem Dachverband der Industrie- und Handelskammern und Mitglied der Enterprise Policy Group der Europäischen Kommission. Das führte zu Kontakten zu Präsidenten und Kanzlern. Nach seiner aktiven Zeit widmete Mittelsten Scheid sich der internationalen Politik. Sein Buch über das Pulverfass Pakistan fand viel Beachtung.

Das galt zuletzt auch für sein Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie hatte ihn nach Berlin eingeladen, um die Gründe seines Austrittes aus der CDU im Herbst vergangenen Jahres zu erörtern. „Es war ein offenes Gespräch auf Augenhöhe. Frau Merkel hat mich intellektuell und als Mensch beeindruckt“, sagt Mittelsten Scheid noch heute. In die CDU ist er dennoch nicht wieder eingetreten.