Absatzstärkstes Quartal Kartell-Vorwürfe überschatten positive Daimler-Zahlen

Stuttgart/Berlin (dpa) - Die Debatte um mutmaßlich illegale Absprachen mit anderen Herstellern überschattet eine starke Halbjahresbilanz beim Autobauer Daimler.

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Konzernchef Dieter Zetsche wollte sich aber erneut nicht konkret zu dem Vorwurf äußern, dass sich Daimler mit VW, BMW, Audi und Porsche über Jahre hinweg unzulässig über Technik, Kosten und Zulieferer verständigt habe. Bei Volkswagen sollte sich am Nachmittag der Aufsichtsrat in einer außerordentlichen Sitzung damit beschäftigen. Auch beim „Diesel-Gipfel“ kommende Woche in Berlin dürften die Vorwürfe Thema sein. Laut „Süddeutscher Zeitung“ zieht BMW außerdem erste Konsequenzen bei Kooperationen.

„Die Autoindustrie macht derzeit Schlagzeilen — und keine guten“, betonte Zetsche in einem online veröffentlichten Statement. Viele fragten sich, was an den Vorwürfen dran sei, und wünschten sich Klarheit. „Wir sind aber gut beraten, uns nicht an Spekulationen zu beteiligen“, bekräftigte der Manager. Wie Daimler schweigen auch die anderen Hersteller derzeit zu dem Thema.

Bei den Stuttgartern kletterten dank des anhaltenden Aufschwungs bei der Kernmarke Mercedes-Benz Umsatz und Gewinn weiter kräftig. Für Mercedes-Benz war das zweite Quartal den Angaben zufolge des absatzstärkste der Geschichte. Vor allem die neue E-Klasse und die Stadtgeländewagen (SUV) kamen bei den Kunden gut an. Der Daimler-Umsatz stieg um 7 Prozent auf rund 41,2 Milliarden Euro. Das Konzernergebnis lag bei rund 2,51 Milliarden Euro (plus 2 Prozent) - nach 2,45 Milliarden Euro im zweiten Quartal 2016. Nach Abzug von Minderheitsanteilen blieb ein Gewinn von 2,44 Milliarden Euro.

Als Reaktion auf die Kartellvorwürfe hat BMW einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ zufolge Kooperationsgespräche zu neuen Projekten mit dem Rivalen Daimler vorläufig ausgesetzt. Einen Vorstandsbeschluss bei BMW gebe es zwar nicht, das Management wolle aber die Zusammenarbeit kritisch hinterfragen. Ein Sprecher wollte die „Spekulationen“ nicht kommentieren. Aus Unternehmenskreisen hieß es, dass sich angesichts der Vorwürfe bestimmte Gemeinschaftsprojekte verzögern könnten.

Zetsche sagte hingegen, er rechne nicht damit, dass es große Auswirkungen auf Kooperationsgespräche unter den deutschen Autobauern gebe: „Selbstverständlich haben wir all diese Gespräche und Überlegungen im existierenden Rechtsrahmen angestellt.“

In der vergangenen Woche hatte Daimler angekündigt, mehr als drei Millionen Diesel-Fahrzeuge in die Werkstätten zu rufen, um per Software-Update den Schadstoffausstoß zu verringern. Zetsche betonte, dass diese Maßnahme - was die eigenen Fahrzeuge angeht - den Stickoxid-Ausstoß deutlich stärker senken werde als die in Rede stehenden Fahrverbote. Die Aktion soll rund 220 Millionen Euro kosten und im dritten Quartal wirksam werden.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt seit März wegen möglichen Abgas-Betrugs gegen Daimler-Mitarbeiter. Medienberichten zufolge könnten bei mehr als einer Million Fahrzeugen Motoren eingebaut sein, bei denen Abgasmessungen manipuliert wurden. Daimler hat auch das nicht kommentiert - generell aber stets betont, sich an geltendes Recht gehalten zu haben und mit den Behörden zu kooperieren.

Bei einem „Diesel-Gipfel“ mit Vertretern der Bundesregierung, mehrerer Bundesländer und Autobauer sollen in der kommenden Woche Wege gefunden werden, um einen geringeren Schadstoffausstoß zu erreichen. Es sei klar, dass die jüngsten Berichte die Gespräche beeinflussten, sagte Zetsche. „Aber ich glaube unverändert, dass alle Beteiligten daran interessiert sind, diesen Tag zu einem Erfolg zu machen und zu konkreten Ergebnissen zu kommen.“

Die Bundesregierung setzt auf Zusagen der Autokonzerne. „Wir erwarten dort natürlich auch Aktion und Bewegung seitens der Industrie“, sagte Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Mittwoch in Berlin. Im allgemeinen Umfeld gehe es „natürlich um ein Ehrlichmachen“. Man verlange von den Unternehmen Offenheit und Aufklärung.

Ein angeordneter Ausstieg aus Dieselautos und Benzinern, wie ihn Großbritannien nun für die Zeit nach 2040 angekündigt hat, kommt für Berlin nicht in Frage. „Ein Verbot von Diesel-Fahrzeugen oder Benzinern steht derzeit nicht auf der Agenda der Bundesregierung“, sagte Demmer.