Kartellamt steht bei Kartoffelpreisen am Anfang
Bonn (dpa) - Die Ermittlungen des Bundeskartellamtes zu möglichen Preisabsprachen bei Kartoffeln sorgen für großes Aufsehen. „Uns erreichen derzeit eine Vielzahl von vermeintlichen Hinweisen“, erklärte Kartellamts-Präsident Andreas Mundt am Montag in Bonn.
Die Ermittlungen der Bonner Wettbewerbshüter stünden allerdings noch ganz am Anfang. Aufgrund eines Anfangsverdachts seien Durchsuchungen in der Kartoffelbranche vorgenommen worden. „Jetzt machen wir sorgfältig unsere Arbeit und werten die Beweismittel aus.“ Zahlen zu den möglichen Kartellgewinnen und zur Schadenshöhe seien derzeit reine Spekulation.
„Wenn sich der Verdacht der illegalen Absprachen bestätigt, wäre das ein Skandal“, erklärte Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) am Montag. Nicht nur die Verbraucher wären durch überhöhte Preise erheblich geschädigt worden. Auch einige Kartoffelbauern hätten ihre Pflanzkartoffeln möglicherweise zu erhöhten Preisen bekommen und wären die Geschädigten, betonte er.
Der Grünen-Agrarexperte Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf sieht in dem vermuteten Kartoffelkartell einen Widerstand gegen den Preisdruck von Supermarktketten. Die Ketten hätten die Kartoffel als „Werbe- und Preisknüller“ entdeckt und setzten die Sortier- und Packbetriebe unter Druck, sagte der frühere Europaabgeordnete am Montag im Sender WDR 5. Diese Betriebe wiederum versuchten, dem Druck durch Absprachen zu widerstehen. Das sei aber nicht rechtens.
Mundt wies darauf hin, dass an einem Kartell beteiligte Unternehmen auch jetzt noch die Möglichkeit hätten, eine sogenannte Bonusregelung des Bundeskartellamtes in Anspruch zu nehmen. „Das bedeutet, dass sich die Kooperation mit uns in einem laufenden Verfahren sowie weiterführende Angaben auch strafmildernd auswirken können“, erläuterte der Behördenchef in seiner Erklärung.
Das Bundeskartellamt hatte am Freitag Durchsuchungen von neun Unternehmen im Bereich Erzeugung und Vertrieb von Kartoffeln bestätigt. Zudem wurden gegen weitere fünf Unternehmen schriftlich Bußgeldverfahren eingeleitet. Bis zur abschließenden Beurteilung des Sachverhalts gelte die Unschuldsvermutung, erklärte Mundt am Montag. Hauptabnehmer der Kartoffeln sind Lebensmitteleinzelhändler. Der Schaden durch illegale Preisabsprachen bei Kartoffeln soll Medienberichten vom Wochenende zufolge für die Verbraucher zwischen mehr als 100 Millionen und einer Milliarde Euro liegen.
Ein Händler aus Mönchengladbach bestritt am Montagabend, an Absprachen beteiligt gewesen zu sein. Von Seiten des Unternehmens seien in der Vergangenheit keinerlei Absprachen erfolgt, teilte die Hans Willi Böhmer Verpackung und Vertrieb GmbH & Co. KG mit. „Das Unternehmen ist sich auch nicht bewusst, kartellrechtliche Bestimmungen verletzt zu haben.“ Das Kartellamt habe den Firmensitz am 7. Mai durchsucht. Man habe der Behörde alle gewünschten Informationen gegeben. „Wie der Verdacht des Bundeskartellamtes im Detail begründet wird, ist dem Unternehmen zum jetzigen Zeitpunkt nicht bekannt“, hieß es weiter.
Große Handelskonzerne äußerten sich zunächst nicht zu der Frage, ob sie sich als Geschädigte sehen und Schritte einleiten wollen. Es lägen aktuell nur wenige Informationen zu einer etwaigen Kartellbildung auf Seiten der Lieferanten vor, erklärte der Branchenverband HDE. „Kartelle von Lieferanten schaden Händlern und Verbrauchern, weil höhere Lieferantenpreise nicht beliebig vom Handel an die Verbraucher weitergereicht werden können“, hieß es vom Handelsverbandes Deutschland (HDE) in Berlin.