Kaum Fortschritte bei Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Berlin (dpa) - In den meisten deutschen Unternehmen hat sich in Sachen Familienfreundlichkeit im vergangenen Jahr wenig getan. Das ist das Ergebnis einer Studie der Managementberatung A.T. Kearney, die am Samstag in Düsseldorf veröffentlicht wurde.

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Demnach gaben nur 8 Prozent aller befragten Arbeitnehmer an, dass ihr Unternehmen in diesem Zeitraum familienfreundlicher geworden ist. Zugleich antworteten lediglich 38 Prozent, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei in ihrer Firma eine Selbstverständlichkeit.

Nach wie vor ließen viele Firmen außer Acht, dass sie von einem familienfreundlichen Umfeld selbst profitierten. „Das Ergebnis von Familienfreundlichkeit sind motivierte, loyale Mitarbeiter, die das Unternehmen weiterempfehlen“, sagte Martin Sonnenschein, Partner bei A.T. Kearney. Das sei in Zeiten von demografischem Wandel und Fachkräftemangel ein Schlüssel zum unternehmerischen Erfolg. „Es muss für Mütter und Väter möglich sein, familienbedingte Auszeiten zu nehmen oder auch eine Zeit lang die Arbeitszeit zu reduzieren, ohne dass sie dadurch berufliche Nachteile befürchten müssen“, sagte Sonnenschein.

Das sieht auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) so und schlägt nun eine 35-Stunden-Woche für Väter und Mütter vor. „Wir müssen von Modellen wegkommen, bei denen der eine Partner Vollzeit arbeitet und der andere Teilzeit mit wenigen Stunden“, sagte DIHK-Präsident Eric Schweitzer der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. „Wenn man es sinnvoll organisiert, dann könnte der eine auf 35 Stunden reduzieren und der andere auf 35 Stunden aufstocken. In der Summe ist das immer noch mehr, als wenn der Mann 40 Stunden arbeitet und die Frau nur halbtags.“

Durch die demografische Entwicklung fehlten künftig Millionen Arbeitskräfte. „Wenn wir diese Arbeitsleistung nicht ersetzen, können wir unser jetziges Sozialprodukt nicht mehr erwirtschaften und unser Sozialsystem nicht mehr finanzieren“, sagte der DIHK-Präsident. Derzeit arbeiteten in Deutschland zu viele Frauen in Teilzeit.

In der Kearney-Studie gaben nur 12 Prozent der Arbeitnehmer mit Kindern oder Kinderwunsch an, ihr Arbeitgeber biete alle für sie wesentlichen Leistungen an. Von den übrigen 88 Prozent wünschten sich Frauen insbesondere eine Notfallbetreuung für ihre Kinder (51%), Betreuung in den Ferien (45%) sowie Auszeit- und Sonderurlaubsregelungen (33%). Männern fehlen spezielle Angebote für Väter (43%) und ebenfalls Notfallbetreuungsmöglichkeiten (41%).

Von den befragten Müttern haben fast zwei Drittel Erfahrung mit Teilzeit gemacht (62%), bei den Vätern aber nur 7 Prozent. Möglichkeiten, Tages- und Wochenarbeitszeiten individuell zu gestalten, nutzen beide Gruppen aber in ähnlichem Umfang: ein Drittel der Mütter und 26 Prozent der Väter.

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD), die im Januar ein ähnliches Modell wie der DIHK vorgeschlagen hatte, sagte der „FAS“: „Wir müssen Vollzeit für Familien neu definieren.“ Schwesigs Vorstoß für eine 32-Stunden-Woche war von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als „persönlicher Debattenbeitrag“ zurückgewiesen worden. Die IG Metall hatte angekündigt, sie wolle bei kommenden Tarifverhandlungen eine 30-Stunden-Woche für Väter und Mütter fordern.