„Kein Vorstand wird Stuttgart 21 retten“ - Druck auf Aufsichtsräte
Stuttgart (dpa) - Die Stuttgart-21-Gegner fordern den Aufsichtsrat der Deutschen Bahn auf, wegen massiver Probleme Alternativen zu dem geplanten Tiefbahnhof ernsthaft zu erwägen.
„Es ist höchste Zeit, dass kritisch ausgelotet wird, was die vernünftige Bahnpolitik ist“, sagte der Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21, Eisenhart von Loeper, in Stuttgart. Die Kontrolleure des Konzerns treffen sich an diesem Mittwoch in Berlin. Die Bauherrin Bahn will sie über die neuesten Probleme bei Zeit- und Kostenplanung des Projekts informieren. Die S-21-Kritiker hoffen auf die Mehrheit der Gewerkschafts- und SPD-Vertreter in dem Gremium, um einen Ausstieg doch noch zu erreichen.
Der Kern des Bahn-Projektes ist ein unterirdischer Durchgangsbahnhof als Ersatz für den bisherigen Kopfbahnhof, der mit einem Tunnel an den Landesflughafen und die geplante Schnellbahnstrecke nach Ulm verbunden werden soll. Durch den Abbau der Gleisflächen im Stuttgarter Schlossgarten soll dieser erweitert werden und zugleich neuer Platz für Wohnraum entstehen.
Der Finanzierungsrahmen des Vorhabens beträgt laut Bahn 6,5 Milliarden Euro. Unlängst wurde bekannt, dass sich die Inbetriebnahme womöglich um zwei Jahre auf 2023 verschiebt und ein Kostenanstieg droht. Die Verzögerung und der Verlust des Risikopuffers seien erneut im Stil einer „Salamitaktik“ preisgegeben worden, monieren die Kritiker. „Wir haben daher Verständnis für die Forderungen, die Bahnvorstände Kefer und/oder Grube abzulösen“, sagte von Loeper. Volker Kefer ist als Vize von Bahnchef Rüdiger Grube der für Stuttgart 21 zuständige Vorstand.
Beide Spitzenmanager stehen vor der Aufsichtsratssitzung stark in der Kritik. Sie werden laut Medien für Probleme beim Sanierungsprogramm „Zukunft Bahn“ und bei Stuttgart 21 verantwortlich gemacht. Loeper betonte: „Kein Vorstand der Welt wird Stuttgart 21 retten können.“
Ein Umstieg auf ein Konzept mit einem modernisierten Kopfbahnhof würde nach Berechnungen der S-21-Gegner rund 1,8 Milliarden Euro kosten. Da die Gegner aber im Unterschied zur Bahn von knapp 10 Milliarden Euro Gesamtkosten ausgehen, verbliebe noch ein finanzieller Spielraum von rund acht Milliarden Euro. Er würde immerhin noch 4,5 Milliarden Euro betragen, wenn man den Berechnungen der Bahn folgen würde, wie die Gegner erläuterten.
Die Kosten des Ausstiegs aus den bisherigen Planungen entstehen nach Auskunft des Verkehrsexperten Martin Vieregg infolge des Rückbaus bereits realisierter Bauabschnitte, des Ausstiegs aus Verträgen mit Baufirmen und verlorener Baukosten. Das Argument, die Baden-Württemberger hätten sich Ende 2011 in einer Volksabstimmung für den Weiterbau des neuen Bahnknotens ausgesprochen, zieht aus Sicht des Aktionsbündnisses nicht. Dem Votum habe eine seriöse Grundlage gefehlt, weil die Bahn verschwiegen habe, dass der Kostendeckel von damals 4,5 Milliarden Euro gesprengt werde.
Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) wies hingegen darauf hin, dass das Land an das Votum gebunden sei; er betonte aber, dass das Land nicht mehr als die zugesagten 930 Millionen Euro beisteuere. Im Bayerischen Rundfunk kritisierte auch er die Informationspolitik der Bahn. Noch kurz vor dem Bekanntwerden neuer Risiken habe die Bahn die Projektpartner noch beruhigt: „Das zerstört natürlich schon die Glaubwürdigkeit und macht misstrauisch.“
Der grüne Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel forderte einen Stopp der Auftragsvergabe. Zunächst müsse die Zukunft des Projektes, das der ehemalige Kanzleramtschef und heutige DB-Vorstand Ronald Pofalla durchgedrückt habe, geklärt sein. Laut Bahn sind bereits 70 Prozent der Aufträge vergeben.