Niedrigzins bleibt Keine Entwarnung von Draghi: EZB bleibt handlungsbereit
Frankfurt/Main (dpa) - Die Europäische Zentralbank (EZB) bleibt im Krisenmodus. Es gebe zwar „viele ermutigende Entwicklungen in der Wirtschaft des Euroraums“, sagte EZB-Präsident Mario Draghi. Die Erholung sei aber nach wie vor in hohem Maße abhängig von einer „anhaltenden geldpolitischen Unterstützung“.
Draghi bekräftigte, die Notenbank werde weiterhin alle ihre Instrumente nutzen und notfalls handeln, um ihr Ziel einer Inflation von knapp unter 2,0 Prozent zu erreichen.
Viele Volkswirte rechnen damit, dass die EZB ihr milliardenschweres Kaufprogramm für Staats- und Unternehmensanleihen über März 2017 hinaus verlängern wird. Klarheit dürfte die nächste Sitzung des EZB-Rates am 8. Dezember bringen. „Dann werden wir sagen, was wir in den nächsten Monaten tun werden“, hatte Draghi angekündigt.
„Wir haben allen Grund zu mehr Vertrauen in die Stärke der wirtschaftlichen Erholung als vor einem Jahr“, sagte Draghi am Freitag. „Aber wir können nicht zuversichtlich sein, was den ökonomischen Ausblick angeht.“ Es gebe nach wie vor „ein erhebliches Maß an Unsicherheit“. Im Dezember legt die EZB aktuelle Prognosen zur Entwicklung von Konjunktur und Inflation im Euroraum vor.
Dauerhaft niedrige oder gar sinkende Preise gelten als Risiko für die Konjunktur: Unternehmen und Verbraucher könnten Investitionen aufschieben, weil sie erwarten, dass es absehbar noch günstiger wird.
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann betonte: „Es sind nicht die Zentralbanken, die die Wirtschaft zu stärkerem Wachstum führen können. Den Schlüssel dafür halten Politiker in der Hand.“ Weidmann mahnte einmal mehr, geldpolitische Sondermaßnahmen mit Augenmaß einzusetzen - zumal die meisten Ursachen der Mini-Inflation wie der niedrige Ölpreis vorübergehender Natur seien.
Deutschlands oberster Währungshüter warnte vor „schädlichen Nebeneffekten“ der unkonventionellen Geldpolitik. Diese bekämen zum Beispiel Banken zu spüren. Den Instituten brechen wegen des anhaltenden Zinstiefs die Erträge weg. Die Kreditvergabe kommt nicht wie erhofft in Gang. Die Geldpolitik dürfe vor solchen Auswirkungen nicht die Augen verschließen, mahnte Weidmann, der im EZB-Rat über die Geldpolitik für den Euroraum mitentscheidet.
Deutsche-Bank-Chef John Cryan hielt Draghi zwar zugute, er sei „wahrscheinlich der Einzige in Europa“, der handele. Aber den Banken helfe die EZB-Politik nicht. An den Anleihenmärkten beispielsweise erschwere die EZB als großer Käufer die Geschäfte. Europa brauche „radikale Reformen“, damit die Wirtschaft wieder in Schwung komme.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sieht die Politik des extrem billigen Geldes ebenfalls mit Sorge. „Wir sollten aufpassen, dass wir nicht in eine neue Blase hineinkommen.“ Der CDU-Politiker sagte jedoch zugleich: „Ich warne vor der Illusion, die Probleme des Bankensektors allein auf die Geldpolitik zurückzuführen.“
Auch Draghi wertet die Ertragsschwäche der Banken im Euroraum als Problem. Viele Institute haben noch Berge fauler Kredite in ihren Bilanzen und reichen darum wenig neue Darlehen aus. Gleichwohl warnte der EZB-Präsident davor, die nach der jüngsten Finanzkrise weltweit verschärften Regeln für die Finanzbranche aufzuweichen. „Es ist Zeit, die Regulierung abzuschließen und in eine Phase der Stabilität einzutreten“, sagte Draghi. Der künftige US-Präsident Donald Trump hatte nach seiner Wahl bekräftigt, er wolle wichtige Regeln für die Finanzbranche abschaffen, um die Kreditvergabe anzukurbeln.
Die EZB versucht Wachstum und Inflation mit einer gewaltigen Flut billigen Geldes anzuheizen. Seit März 2015 kauft die Notenbank Staatsanleihen und andere Wertpapiere im großen Stil. Seit diesem Juni stehen auch Unternehmensanleihen auf dem Einkaufszettel. 80 Milliarden Euro fließen derzeit monatlich, insgesamt sollen es 1,74 Billionen Euro werden. Das Programm soll nach bisherigen Plänen bis mindestens Ende März 2017 laufen.