Konkrete Pläne: EU-Staaten wollen Roaming beibehalten
Brüssel (dpa) - Handynutzer hätten sich eigentlich schon zum Jahresende auf eine Abschaffung der Extra-Gebühren für Telefonate, Surfen SMS im EU-Ausland freuen können.
Doch daraus wird wohl nichts: Erstens wird die Zeit knapp. Zweitens gibt es inzwischen unter den EU-Staaten einen Kompromissplan, die Gebühren auf niedrigem Niveau beizubehalten.
Das geht aus einem öffentlich gewordenen Dokument des Rates hervor, über das am Freitag die „Bild“-Zeitung berichtete. Die EU-Länder müssen sich aber noch mit dem Europa-Parlament einig werden - und dort will man die Gebühren eigentlich streichen.
Dem Kompromisspapier der EU-Staaten zufolge sollen Bürger etwa bei Anrufen aus dem Ausland nur 50 Minuten lang zu Inlandskonditionen telefonieren können. Zudem sollen sie 50 SMS pro Jahr aus dem Ausland zu Inlandsbedingungen verschicken können, die mobile Internetnutzung ohne Aufschläge wäre nur bis zu 100 Megabyte im Jahr möglich. Diese Zahlen nannte die „Bild“ am Freitag mit Bezug auf das Papier der EU-Länder. Die Staaten hatten sich bereits Anfang März darauf verständigt, dass sie die Extra-Gebühren für mobiles Telefonieren und Surfen im Ausland mit Einschränkungen vorerst weiter erlauben wollen.
Ein EU-Diplomat bestätigte, dass die Zahlen dem derzeitigen Kompromiss unter den Staaten entsprechen. Er sagte, man gehe aber davon aus, dass die Roaming-Aufschläge nach Erreichen dieser Grenzwerte niedriger ausfallen als bisher. Ein anderer Diplomat ergänzte, im Gespräch sei beispielsweise für Telefonate der Heimattarif mit einem Aufschlag von 5 Cent pro Minute plus Mehrwertsteuer.
Beschlossen ist derweil noch nichts, weil die Länder sich mit dem Europaparlament einigen müssen. Das hatte ursprünglich gefordert, die Aufschläge bis Ende 2015 komplett abzuschaffen. Allerdings ist wegen der langwierigen Verhandlungen inzwischen klar, dass die Gebühren frühestens Mitte oder Ende 2016 fallen könnten, heißt es in der Volksvertretung. Der österreichische Grünen-Abgeordnete Michel Reimon bezeichnete die Verhandlungen als „verfahren“.
Verbraucherschützer fordern weiterhin die Abschaffung der Gebühren. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) reagierte empört: „Kommunikation ist nicht nur ein Urlaubsspaß, sondern innerhalb Europas für viele Menschen notwendiger Alltag“, kommentierte Vorstand Klaus Müller. „Die Preise für die Endkunden müssen sich stärker an den realen Kosten der Unternehmen orientieren. Derzeit verdienen Unternehmen gutes Geld mit den Roaming-Gebühren.“
Auch im Parlament herrscht beim Blick auf den Verhandlungsstand Unmut. Die konservative luxemburgische EU-Abgeordnete und frühere EU-Justizkommissarin Viviane Reding sprach mit Bezug auf die Haltung der Staaten in „Bild“ von einer „Schande“. „Eigentlich müsste es einen Volksaufstand geben!“ Die SPD-Abgeordnete Constanze Krehl meinte: „Die Beibehaltung der Roaming-Gebühren wäre ein Schlag ins Gesicht der europäischen Verbraucherinnen und Verbraucher.“
Die Verhandlungen sind auch deshalb so schwierig, weil neben der Abschaffung der Roaming-Gebühren auch die sogenannte Netzneutralität zur Debatte steht. Dahinter steckt die Idee, dass Internet-Provider und Telekommunikationsunternehmen die Datenpaketen der Nutzer gleichberechtigt durch ihre Leitungen schicken - unabhängig davon, woher sie stammen oder welchen Inhalt sie haben. Auf EU-Ebene wird darüber verhandelt, ob und welche Daten unter bestimmten Bedingungen doch Vorrang haben sollten.
Nach Darstellung des österreichischen Grünen-Abgeordneten Reimon wäre das Parlament möglicherweise zu Verzögerungen beim Thema Roaming bereit, wenn dafür das Prinzip der Netzneutralität gerettet würde. „Am wahrscheinlichsten ist, dass wir uns im zweiten Halbjahr 2015 einigen - oder die Verhandlungen abbrechen“, sagte er.
Es gibt bereits seit einigen Jahren eine europäische Begrenzung der Roaming-Aufschläge. So dürfen Mobilfunkanbieter derzeit von Kunden im europäischen Ausland nicht mehr als 19 Cent pro Minute für abgehende Anrufe, 5 Cent für ankommende Anrufe, 6 Cent pro versendeter SMS und 20 Cent pro Megabyte Daten verlangen. Hinzu kommt die Mehrwertsteuer.