Kostenexplosion bei Stuttgart 21
Berlin/Stuttgart (dpa) - Die Bahn kämpft bei dem Milliardenprojekt Stuttgart 21 mit einer Kostenexplosion. Die Kosten könnten im ungünstigsten Fall auf 6,8 Milliarden Euro steigen. Dies geht aus einer Neukalkulation hervor, welche die Deutsche Bahn am Mittwoch vorlegte.
Bisher galten 4,5 Milliarden Euro als Maximum. Der Finanzrahmen für den Tiefbahnhof samt Anbindung an die Schnellbahnstrecke soll nun um 1,1 Milliarden auf 5,6 Milliarden Euro erhöht werden. Bahn-Vorstand Volker Kefer benannte zudem Risiken in Höhe von 1,2 Milliarden Euro.
Ein Ausstieg kommt für die Bahn dennoch nicht infrage. Ein Weiterbau sei „die wirtschaftlich wesentlich günstigere Variante“ als der Abbruch des Vorhabens, sagte Kefer nach einer Sitzung des Aufsichtsrats in Berlin. Das Kontrollgremium will nun über die Kostensteigerung beraten und „zeitnah“ einen Beschluss fassen. Kefer räumte Kalkulationsfehler der Bahn ein: „Man hätte einiges besser machen können.“
Die 1,1 Milliarden Euro Mehrkosten im Vergleich zu 2009 seien durch unvollständige Planung und falsche Annahmen zu erklären. Die Bahn will sie deshalb selbst übernehmen, sagte Kefer. An weiteren möglichen Mehrkosten will der bundeseigene Konzern aber die anderen Projektpartner beteiligen. Das Land Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart bekräftigten jedoch, dass sie nicht mehr Geld bereitstellen wollen. Auch die Bundesregierung wehrt sich gegen eine zusätzliche Finanzspritze.
Kefer erläuterte, die Bahn sehe auch 200 Millionen Euro an Chancen für Einsparungen. Zu den Risiken gehörten 300 Millionen Euro, die sich aus dem Schlichtungsverfahren ergeben könnten. 490 Millionen ergäben sich aus Änderungswünschen des Landes Baden-Württemberg und der Stadt Stuttgart. 400 Millionen Euro fielen an, wenn sich das Bauvorhaben durch langsame Genehmigungsverfahren auch künftig so verzögere, wie das bisher geschehen sei.
„Es ist für die Landesregierung eine Selbstverständlichkeit, dass der Verursacher auch die Mehrkosten trägt“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Für die grün-rote Landesregierung gelte unverändert der Kabinettsbeschluss, dass sich das Land nicht an Mehrkosten über dem Kostendeckel von 4,5 Milliarden Euro hinaus beteiligen wird.
Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) fühlt sich von der Bahn getäuscht. Vom Kostenanstieg könne die Bahn-Führung nicht erst seit wenigen Tagen gewusst haben. Die neuen Zahlen müssten dringend extern überprüft werden, etwa durch den Bundesrechnungshof. Grünen-Chef Cem Özdemir forderte die Bahn und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf zu erklären, „was die Übernahme der Mehrkosten durch das Unternehmen für andere Schienenprojekte und den Bundeshaushalt bedeuten würde“.
Das Projekt ist nach Kefers Ansicht trotz der höheren Kosten zu rechtfertigen. „Die Wirtschaftlichkeit geht dadurch massiv in die Knie, wird aber nicht negativ“, sagte er. Ein Ausstieg würde mindestens zwei Milliarden Euro kosten und sei nicht vertragskonform.
Der Bahnmanager wies darauf hin, dass sich die Mehrkosten für die Bahn auf die kommenden zehn Jahre verteilten. Die Mehrbelastungen führten dazu, dass die Schulden der Bahn langsamer abgebaut werden könnten.
Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 forderte einen sofortigen Baustopp. „Es darf kein Cent mehr in dieses Fass ohne Boden fließen“, hieß es. Tübingens grüner Oberbürgermeister Boris Palmer sagte im Sender Phoenix: „Es kann noch viel teurer werden.“