Kreditwürdigkeit Athens abermals drastisch gesenkt

Berlin/Athen/Brüssel (dpa) - Neue Hiobsbotschaft für Griechenland: Die Ratingagentur Standard& Poor's hat die langfristige Kreditwürdigkeit nochmals drastisch herabgestuft, weil eine Umschuldung aus ihrer Sicht immer wahrscheinlicher wird.

Das Griechenland-Drama geht nun in die entscheidende Runde. Europa streitet sich über ein zweites Rettungspaket für das von der Pleite bedrohte Land und eine mögliche Stundung der Schulden. Vor allem Deutschland will die Banken mit ins Rettungsboot holen, die Bereitschaft scheint aber gering.

Athen wehrt sich gegen die Herabstufung und kritisierte den Schritt. Um ganze drei Noten hat S&P die Bonität des Landes auf nunmehr „CCC“ am Montag gesenkt. Damit liegt das Rating nur noch wenige Noten von der Tiefstwertung „D“ entfernt, die einen Zahlungsausfall kennzeichnet. Eine solche Wertung würde es der Europäischen Zentralbank (EZB) verbieten, griechische Staatsanleihen als Sicherheit anzunehmen, mit ungeahnten Konsequenzen für das europäische Bankensystem. Nur die Politik und damit der Steuerzahler könnte dann noch mit Rettungspaketen einspringen.

Zwar geht die Agentur davon aus, dass Griechenland von seinen europäischen Partnerstaaten zusätzliche Finanzhilfen erhält. Die Hilfen dürften aber voraussichtlich nur unter einer Beteiligung privater Gläubiger etwa in Form einer Laufzeitverlängerung griechischer Anleihen gewährt werden. In diesem Fall würde die Agentur das Rating auf den niedrigsten Wert „D“ senken, machte S&P klar. Das will die EZB verhindern, denn sie befürchtet eine zu hohe Ansteckungsgefahr für andere angeschlagene Euro-Länder. Damit stecken die Politiker in der Zwickmühle, die für eine Bankenbeteiligung plädieren wie Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).

Die Herabstufung nehme nicht die intensiven Unterredungen in der EU und im Internationalen Währungsfonds (IWF) über eine „praktikable Lösung“ zur Kenntnis, kritisierte das Athener Finanzministerium. EU und IWF beraten über ein weiteres Rettungspaket, Griechenland will zusagen, noch härter zu sparen und in großem Stil Staatsbesitz zu privatisieren, damit Geld in Staatskassen fließt. Athen wehrt sich auch gegen den Plan, private Gläubiger wie Banken und Versicherungen bei einer Umschuldung des Krisenlandes in die Pflicht zu nehmen.

Europäische Spitzenpolitiker wollen das krisengeschüttelte Mittelmeerland aber nicht fallenlassen. Am Dienstag wollen die Euro-Finanzminister auf einem Sondertreffen in Brüssel auch über die Griechenland-Rettung beraten. Dabei soll es um ein neues Paket für Athen gehen, das einen Umfang von 90 Milliarden Euro bis 120 Milliarden Euro haben könnte. Vereinzelt ist auch von 80 Milliarden Euro die Rede, wobei Athen zusätzliche harte Einsparungen und umfangreiche Privatisierungen durchsetzen müsste. Mit abschließenden Entscheidungen der Kassenhüter wird am Dienstag noch nicht gerechnet.

Denn weitere Etappen sind die für den 20. Juni geplante Zusammenkunft in Luxemburg und der Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel am 23. und 24. Juni. Das neue Programm soll spätestens bis Monatsende stehen - es ist eine Vorbedingung für die Auszahlung einer Tranche von 12 Milliarden Euro aus dem seit 2010 laufenden ersten Hilfsprogramm von 110 Milliarden Euro für Griechenland. Athen braucht das Geld dringend, denn sonst steht das hoch verschuldete Land vor der Pleite.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warnte unterdessen, die Schuldenkrise im Euroraum drohe den Aufschwung in Deutschland zu gefährden. In ihrem Video-Podcast vom Samstag sagte sie: „Wir dürfen nichts tun, was den Aufschwung weltweit insgesamt in Gefahr bringt und dann auch in Deutschland wieder in Gefahr bringen würde.“ Sie verwies auf den Bankrott von Lehman Brothers. Als Folge sei die deutsche Wirtschaft 2009 eingebrochen. So etwas müsse unbedingt verhindert werden.

Nach dem Schäuble-Modell für Athen sollen Banken alte griechische Staatsanleihen gegen neue mit längerer Laufzeit von sieben Jahren umtauschen. Der griechische Ministerpräsident Papandreou dagegen sagte der Athener Sonntagszeitung „To Vima“, die Idee einer Gläubiger-Beteiligung sei zwar „in der Theorie richtig“. Sie habe aber bislang das Gegenteil bewirkt, die Märkte seien nervöser geworden. Commerzbank-Chef Martin Blessing zeigte sich in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ skeptisch: Es trage nicht zum Vertrauen der Märkte bei, wenn die Zusicherung, dass bis 2013 kein Gläubiger zur Sanierung Athens herangezogen werde, nicht mehr gelte.

Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker sagte im RBB-Inforadio, es werde eine „sanfte, freiwillige“ Umschuldung geben müssen. Für eine Einbeziehung privater Gläubiger müsse aber die Europäische Zentralbank (EZB) ins Boot geholt werden. Bundesbankpräsident Jens Weidmann, im EZB-Rat vertreten, warnte vor „Ansteckungsgefahren“ für andere angeschlagene Euro-Länder. Die Politik sei jetzt gefordert.

Aus Sicht der EZB ist es notwendig, dass die privaten Anleihebesitzer sich komplett freiwillig für einen Zahlungsaufschub Athens entscheiden. „Eine Beteiligung der Notenbanken an den Lasten und Risiken lehnen wir ab“, sagte Weidmann. Notfalls werde die EZB auch eine Staatspleite in Kauf nehmen. Der Euro werde aber auch in diesem Fall stabil bleiben.