Bayer Warum der Bayer-Spitze ein turbulenter Freitag bevorsteht

Düsseldorf · Eigentlich sind Hauptversammlungen keine Treffen, vor denen Vorstände und Aufsichtsräte sich fürchten müssten. Bei Bayer wird am Freitag vieles anders sein. Eine Analyse.

Mehr als 140 Euro war eine Bayer-Aktie vor vier Jahren wert. Inzwischen hat sich der Kurs mehr als halbiert. Für die Aktionäre ein Desaster.

Foto: dpa/Oliver Berg

Eigentlich sind Hauptversammlungen keine Treffen, vor denen Vorstände und Aufsichtsräte sich fürchten müssten. Nach ihren Reden werden die Topleute von den Aktionären zwar oft mit kritischen Fragen konfrontiert, aber erregte und kontroverse Debatten ergeben sich daraus eher selten. Am Ende gibt es für die Führungsriege die gewünschte Entlastung – meist mit deutlich mehr als 90 Prozent der Stimmen.

Bei Bayer wird am Freitag vieles anders sein. Bei der Hauptversammlung des Pharma- und Agrarchemiekonzerns im Bonner World Conference Center dürfte es einen turbulenten Verlauf geben. Und dass Vorstandschef Werner Baumann den Tag ohne dauerhafte Blessuren übersteht, ist keineswegs ausgemacht.

Die Liste der Bayer-Skeptiker ist lang und gewichtig. Ganz oben steht das US-Unternehmen Blackrock, weltweit größter Vermögensverwalter und mit rund sieben Prozent größter Bayer-Aktionär. Bei der Abstimmung über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat wird sich Blackrock enthalten oder dagegen stimmen. Begründung: Das Management habe die Klagerisiken bei der Übernahme des US-Saatgutkonzerns Monsanto unterschätzt.

Noch klarer positioniert sich Ingo Speich vom Sparkassen-Fondshaus Deka. „Wenn eine Übernahme in einem so kurzen Zeitraum solche Vermögens- und Reputationsschäden verursacht, ist das schon drastisch“, sagt Speich. Die Deka, mit einem Prozent an Bayer beteiligt und damit ebenfalls Großaktionär, werde gegen die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat stimmen.

Bayer hält den Kritikern Rechtsgutachten entgegen

Auch die beiden großen angelsächischen Stimmrechtsberater ISS und Glass Lewis empfehlen den Aktionären, Baumann und seinem Team die Gefolgschaft zu verweigern. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DWS) dringt auf eine Vertagung der Abstimmung. Sollte der Antrag auf Verschiebung keine Mehrheit finden, will die DWS ebenfalls keine Entlastung erteilen.

Die Bayer-Spitze kontert mit Rechtsgutachten, unter anderem von der Wirtschaftskanzlei Linklaters. Demnach haben die Mitglieder des Vorstandes bei der Monsanto-Übernahme „ihre rechtlichen Pflichten in jeder Hinsicht eingehalten“. Das mag so sein. Aber der Verlauf des Aktienkurses zeigt, dass viele Anleger den Deal für einen Fehler halten. Bayer hat an der Börse drastisch an Wert verloren. Derzeit ist der Konzern noch rund 57 Milliarden Euro wert – das entspricht in etwa jener Summe, die die Leverkusener im vergangenen Jahr für die US-Firma mit dem schlechten Image bezahlt haben.

Größte Sorgen bereitet den Anlegern, dass gegen Bayer/Monsanto allein in den USA mindestens 11 200 Klagen (Stand Ende Januar) anhängig sind. Es geht immer um Schadenersatz, weil der glyphosathaltige Unkrautvernichter Roundup von Monsanto Krebs verursachen soll. Zwei Schwurgerichte haben das bejaht. Bayer soll jeweils rund 70 Millionen Euro zahlen. Der deutsche Konzern hält die Urteile für falsch und ist in Berufung gegangen. Sollte das nicht zum Erfolg führen, steckt in den Klagen ein Schadenersatz-Risiko, das einem hohen zweistelligen Milliardenbetrag entspricht.