Libor-Skandal könnte Banken Milliarden kosten

Washington/New York/Brüssel (dpa) - Der Libor-Skandal um manipulierte Zinssätze kann für beteiligte Banken richtig teuer werden. Analystenschätzungen zufolge drohen zahlreichen Instituten teils milliardenschwere Strafen und Schadenersatz-Forderungen.

Dabei fällt auch der Name der Deutschen Bank. Überdies könnte der Skandal strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Allerdings lassen die EU-Wettbewerbshüter bei ihren Vorermittlungen zu einem möglichen Zinskartell nächste Schritte offen und verweigern einen Zeitplan. „Wir können kommende Etappen nicht vorwegnehmen“, sagte der Sprecher von EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia am Freitag in Brüssel.

Die „Financial Times“ (Freitag) kam bei ihrer Auswertung einer Studie der US-Investmentbank Morgan Stanley auf insgesamt 22 Milliarden Dollar (18 Mrd Euro), die zwölf Banken schlimmstenfalls zahlen müssten. Dabei nahmen die Analysten die Summe von umgerechnet 450 Millionen Dollar als Basis, die britische und US-Aufsichtsbehörden der Barclays Bank aufgebrummt hatten. Allerdings schränkten die Experten demnach ein, ihre Schätzungen seien „grob“.

Barclays war die erste Bank, die zur Rechenschaft gezogen wurde. Händler des Hauses hatten mit falschen Angaben den sogenannten Libor künstlich niedrig gehalten. Der Libor wird täglich in London aus den Meldungen von 18 Banken ermittelt und stellt den durchschnittlichen Zinssatz dar, zu dem sich die Institute untereinander Geld leihen. Der Libor ist bedeutend, weil er als Berechnungsgrundlage für viele Kredite in der Realwirtschaft verwendet wird.

Neben Barclays stehen weitere Banken aus Europa, den USA und Asien im Visier der Aufsichtsbehörden, darunter die Deutsche Bank. Die finanziellen Belastungen für die Frankfurter könnten sich nach Schätzungen der Morgan-Stanley-Analysten auf 1,04 Milliarden Dollar belaufen. Es sei die zweithöchste Summe aller Banken, stellte die Finanznachrichtenagentur Bloomberg fest, nur noch übertroffen von der Royal Bank of Scotland (RBS) mit 1,06 Milliarden Dollar.

Es laufen bereits Klagen gegen die Banken. US-Senatoren drängen nun die Behörden, mit aller Härte gegen die Häuser vorzugehen. US-Medien zitierten aus einem Brief der Gruppe an Justizminister Eric Holder und Finanzaufseher. „Es muss viel mehr getan werden“, heißt es dort nach Angaben der „New York Times“. „Banken und deren Mitarbeiter, die erwiesenermaßen das Gesetz gebrochen haben, sollten sich entsprechend auch straf- und zivilrechtlich verantworten.“

EU-Wettbewerbskommissar Almunia habe bei einer Rede in Lissabon noch einmal bekräftigt, dass die EU-Kartellexperten zu angeblichen Manipulationen bei den standardisierten Zinssätzen Libor (London), Euribor (Europa) und Tibor (Tokio) mit besonderer Aufmerksamkeit ermitteln, sagte sein Sprecher.

„Falls unsere Bedenken bestätigt werden, werden wir handeln, um diese Geschäftspraktiken zu beenden und einen Kulturwandel in der Bankenbranche einzuleiten“, sagte Almunia. Weder Almunia noch sein Sprecher gaben Hinweise darauf, wann förmliche EU-Kartellverfahren gegen die Geldhäuser eröffnet werden könnten.

Der heutige US-Finanzminister Timothy Geithner hatte schon Mitte 2008 und damit während der aufziehenden Finanzkrise die Verlässlichkeit des Libor in Frage gestellt. In seiner damaligen Funktion als Vorsitzender des New Yorker Zweigs der US-Notenbank Fed unterbreitete er seinen britischen Kollegen Verbesserungsvorschläge. Die „New York Times“ veröffentlichte das Schreiben am Donnerstag komplett, andere Medien zitierten in Auszügen daraus.