Lokführerstreik gerät immer schärfer ins Visier der Politik
Berlin (dpa) - Spitzenpolitiker haben den einwöchigen Rekordstreik der Lokführergewerkschaft GDL bei der Deutschen Bahn scharf kritisiert.
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann warf GDL-Chef Claus Weselsky vor, er verfolge „persönliche Machtinteressen“. „Das beschädigt das Vertrauen in die Gewerkschaften und die Akzeptanz von Arbeitskämpfen“, sagte Oppermann der „Passauer Neuen Presse“. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sieht „die Grenze der Verhältnismäßigkeit überschritten“, wie er dem Sender SWR2 sagte.
Weselsky hatte Vorwürfe, das Streikrecht zu missbrauchen, stets zurückgewiesen und zeigte sich nun demonstrativ selbstbewusst. Der einwöchige Ausstand sei ein „absoluter Erfolg“, sagte er der „Saarbrücker Zeitung“ (Samstag). Die Gewerkschaft machte auf Nachfrage keine Angaben dazu, ob nach dem für Sonntagmorgen um 9.00 Uhr geplanten Streikende mit weiteren Ausständen zu rechnen ist. Weselsky drohte: „Kommt in den nächsten Tagen wieder ein PR-Gag und gibt es keine Bewegung seitens der Bahn, werden unsere Mitglieder erneut streikbereit sein.“ Der GDL-Chef warf der Bahn „Prinzipienreiterei“ vor.
Millionen Reisende und Wochenendpendler mussten sich auch am Wochenende wegen des bisher längsten Ausstandes bei der Bahn auf erhebliche Schwierigkeiten einstellen. Es gab erneut erhebliche Behinderungen und zahlreiche Zugausfälle. Vor allem in Ostdeutschland, wo die Lokführergewerkschaft GDL stärker organisiert ist, rollen nur etwa 15 Prozent der Züge. Im Westen waren es bis zu zwei Drittel. Auch der S-Bahn-Verkehr war wieder betroffen. Der Ersatzfahrplan laufe stabil, sagte eine Bahnsprecherin in Berlin.
Bahnchef Rüdiger Grube gab zunächst keine Details zu seinem angekündigten neuen Vorstoß in dem seit Monaten stockenden Tarifstreit mit der GDL bekannt. GDL-Chef Weselsky hatte die jüngste Initiative Grubes, den früheren Ministerpräsidenten Brandenburgs, Matthias Platzeck (SPD) als Vermittler einzusetzen, zurückgewiesen.
Auch nach dem Streikende am Sonntagmorgen kann es nach Bahnangaben noch zu Verzögerungen und Zugausfällen kommen, „weil wir natürlich erst mal alle Züge an ihre Bestimmungsorte bringen müssen“, wie eine Bahnsprecherin sagte. Deswegen gelte auch am Sonntag noch der Ersatzfahrplan. „Wir hoffen, dass sich das im Laufe des Tages normalisiert, so dass auf alle Fälle spätestens am Montagmorgen alles wieder regulär fährt.“ Der Ausstand hatte im Güterverkehr am Montag und im Personenverkehr am Dienstag begonnen.
Kauder betonte, es sei „für eine wirtschaftsstarke Nation schon dramatisch, wenn eine wichtige Infrastruktureinrichtung wie die Bahn über eine ganze Woche bestreikt wird“. Die Wirtschaft schätzt den Schaden durch den Streik auf einen mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Betrag.
Es geht der GDL grundsätzlich um eigene Tarifverträge für das gesamte Zugpersonal. Während die Bahn nur die gleichen Bedingungen wie mit der größeren Konkurrenzgewerkschaft EVG akzeptieren will, drängen die Lokführer auf Abweichungen etwa bei der Arbeitszeit. Knackpunkt war zuletzt die Eingruppierung der Lokrangierführer im Tarifgefüge der Bahn. Die GDL kritisiert, die Bahn wolle diese Kollegen, die etwa für das Koppeln und Entkoppeln von Zügen zuständig sind, niedriger einstufen als Mitarbeiter auf der Strecke. Beim Thema Gehaltserhöhung lagen Bahn und GDL hingegen kaum noch auseinander.