Machtkampf bei der EnBW: Rating in Gefahr
Stuttgart/Karlsruhe (dpa) - Beim teilstaatlichen Energiekonzern EnBW bahnt sich eine Machtkampf zwischen dem Vorstandsvorsitzenden Hans-Peter Villis und der Landesregierung an.
In der Aufsichtsratssitzung am kommenden Dienstag (25. Oktober) will Finanzminister Nils Schmid (SPD) eine klare Ansage hören, warum das Unternehmen von seinen großen Anteilseignern - dem Land und dem Kommunalverband OEW - 800 Millionen Euro haben will. Doch die Frage des Geldes steht dabei offenbar nicht an erster Stelle. Hinter den Kulissen - so verlautet aus Regierungskreisen - soll bereits nach einem Nachfolger für den Atombefürworter Villis gesucht werden.
Für das Unternehmen kommt der Streit zum denkbar schlechten Zeitpunkt. Villis braucht die Finanzzusagen der Großaktionäre für die Verhandlungen mit den Ratingagenturen. Die EnBW will dem Schicksal von Eon und RWE entgehen, die wegen des Atomausstiegs und der damit erwarteten Verluste herabgestuft wurden. Nach dem Abschalten von zwei seiner vier Meiler hat auch der Karlsruher Konzern zum Halbjahr tiefrote Zahlen geschrieben - alles in allem keine gute Ausgangslage.
Die Aussicht auf eine Finanzspritze der Anteilseigner wäre in dieser Situation ein wichtiges Signal und könnte die Marktbeobachter friedlich stimmen. Andernfalls würden sich die Kredite der EnBW deutlich verteuern - die Zusatzkosten könnten sich schnell auf mehrere Millionen Euro summieren.
Die Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW) konnte Villis bereits überzeugen. Der Kommunalverband hat zugesagt, eine Kapitalerhöhung von 400 Millionen Euro mitzutragen. Notfalls wäre er sogar bereit, auf 600 Millionen Euro zu erhöhen. Allerdings ist dafür noch einige Überredungskunst in den eigenen Reihen notwendig. In Zeiten klammer Kassen geben die beteiligten Landkreise das Geld nicht gern her.
Das geht dem Land ähnlich. Nur hat Schmid die Prioritäten anders gesetzt: Sein Hemd als Finanzminister ist ihm näher als die Hose seines EnBW-Aufsichtsratspostens. Dass seine Hinhaltetaktik das Unternehmen Millionen kosten könnte, ficht ihn nicht an. „Wir lassen uns von den Ratingagenturen nicht unter Druck setzen“, sagte der SPD-Politiker in einem Zeitungsinterview.
Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte vor schnellen Entscheidungen gewarnt. Eine Kapitalerhöhung könne ja frühestens bei der Hauptversammlung im kommenden Frühjahr beschlossen werden. Gleichzeitig öffnete er mit der Ankündigung, nach neuen Investoren zu suchen, eine weitere Tür. Durch die würde auch Schmid gerne gehen. „Interessierte Dritte, die solide sind, die noch Expertise fürs Unternehmen mitbringen - warum nicht?“, sagt er. Man habe in der ganzen Welt die Fühler ausgestreckt.
Diese Pläne werden jedoch von anderen Aufsichtsratsmitgliedern skeptisch beurteilt. Es gebe kein Stadtwerk in Baden-Württemberg, das über genug Kapital verfüge, um EnBW-Anteile in nennenswerter Höhe zu kaufen, heißt es. Und wie steht es mit ausländischen Investoren? „Wer will im Moment in den unruhigen Energiemarkt in Deutschland investieren?“, lautet die Gegenfrage eines Insiders.
Auch an der Personalie Villis, dessen Vertrag im kommenden Herbst ausläuft, könnte sich Schmid die Zähne ausbeißen. Nicht nur die OEW mit ihren fünf Sitzen steht geschlossen hinter ihm. Auch die Mitarbeitervertreter wollen ihre zehn Stimmen für den Chef in die Waagschale werfen. Schmid kann sich nicht einmal der Gefolgschaft der Aufsichtsratsmitglieder sicher sein, die auf dem Ticket des Landes fahren. Die frühere Grünen-Politikerin Gunda Röstel etwa, Geschäftsführerin der Stadtentwässerung Dresden, kann man durchaus zu den Villis-Befürwortern zählen.