Mega-Börse sieht sich Widerständen gegenüber
New York/Frankfurt (dpa) - Die Deutsche Börse muss nach Einschätzung des Frankfurter Börsenrates aufpassen, dass sie bei der Fusion mit der New Yorker NYSE Euronext nicht unter die Räder gerät.
„Die Stärke der Frankfurter Wertpapierbörse basiert auch auf ihrer Einbettung in den Finanzplatz Frankfurt, ihrer Verwurzelung und Vernetzung. Diesen Erfolgsgaranten gilt es auch in der größeren Einheit zu bewahren und zu sichern“, erklärte das Gremium aus Bankern und Anlegervertretern am Donnerstag.
Grundsätzlich begrüßte der Börsenrat den Zusammenschluss der beiden Marktbetreiber allerdings. Für die Deutsche Börse AG biete sich mit der NYSE Euronext als Partner die Chance, „zum weltweit führenden Börsenanbieter aufzusteigen und damit auch eine Führungsrolle im Konsolidierungsprozess einzunehmen“.
Doch bis es soweit ist, müssen noch einige Stolpersteine aus dem Weg geräumt werden. Die beiden Börsenbetreiber sehen sich mit den ersten Klagen gegen ihre Mega-Fusion konfrontiert. Aktionäre der NYSE Euronext fühlen sich bei dem Zusammenschluss benachteiligt. Sie sprechen von einer de facto Übernahme der kleineren New Yorker Börse durch die Deutsche Börse und verlangen mehr Geld.
Bei vergleichbaren Übernahmen hätten die Aktionäre einen deutlichen Aufschlag erhalten, führen die Anwälte des NYSE-Aktionärs Samuel Cohen an. Als Beispiel nennen sie den parallel laufenden Zusammenschluss der Londoner Börse mit der in Toronto. Es habe keinerlei Bieterprozess gegeben, um den besten Preis herauszuschlagen, heißt es in der Klage, aus der die Finanz-Nachrichtenagentur Bloomberg zitiert.
Die Klage ging am Mittwoch bei einem Gericht in Delaware ein. Fast zeitgleich beschwerte sich ein Investor in Manhattan, dass es „keinen nennenswerten Aufschlag für die NYSE-Aktionäre“ gegeben habe. Dabei würden die Anleger die Kontrolle über das Unternehmen verlieren. Die Aktionäre der Deutschen Börse sollen 60 Prozent an einer neuen, gemeinsamen Dachgesellschaft halten, die Aktionäre der NYSE Euronext die restlichen 40 Prozent.
Die beiden Börsenbetreiber hatten ihre Fusionspläne am Dienstag verkündet, dabei aber betont, dass es sich um einen „Zusammenschluss von Gleichen“ handele. So haben zwar die Deutschen das Sagen im Verwaltungsrat, dafür steht der bisherige NYSE-Chef Duncan Niederauer dem Gesamtkonzern vor. In beiden Ländern herrscht nun die Sorge, von der jeweils anderen Seite dominiert zu werden.
Börsenrat Lars Hille, im Hauptberuf Vorstandsmitglied der genossenschaftlichen DZ Bank, mahnte in der „Börsen-Zeitung“ (Donnerstag): „Es darf keinen Ausverkauf geben am Börsenplatz Frankfurt.“ New York bescheinigte Hille jedoch eine „gewisse Sogwirkung“. Frankfurt müsse aufpassen, dass es unter anderem mit Blick auf die hervorragende IT-Infrastruktur der Deutschen Börse „nicht unter Wert repräsentiert“ werde. Der Börsenrat ist unter anderem für die Börsenordnung, die Gebührenordnung und die Bedingungen für die Geschäfte an der Börse zuständig.
Ein Flop der Fusion würde allerdings teuer. Nicht nur, dass die beiden Börsenbetreiber dann wieder vor dem Problem stünden, dass ihnen der Wettbewerb durch alternative Handelsplattformen und fusionierte Rivalen zusetzt. Sie haben auch eine Vertragsstrafe von 250 Millionen Euro vereinbart, sollte eine der beiden Seiten aussteigen. Das geht aus bei der Börsenaufsicht SEC eingereichten Unterlagen hervor.
Für die Deutsche Börse und die NYSE Euronext ist es schon der dritte Anlauf für eine Fusion seit 2008. Das Unterfangen muss noch von den Aktionären beider Seiten sowie den Aufsichtsbehörden gebilligt werden. Kartellrechtlich dürfte es dabei vor allem in Europa zu Problemen kommen, weil von drei großen Börsenbetreibern - der Deutschen Börse, dem europäischen NYSE-Standbein Euronext und der Londoner Börse - nur noch zwei übrig blieben.
In den USA dreht sich die Diskussion derweil um den Namen für den neuen Konzern. Der republikanische Senator Charles Schumer macht weiter Stimmung dafür, dass die „Kultmarke“ NYSE an erster Stelle steht. „Es ist ein Symbol dafür, dass New York weiterhin die Finanzhauptstadt der Welt ist“, sagte Schumer am Mittwoch bei einer öffentlichen Anhörung in Washington. Der ebenfalls anwesende US-Finanzminister Timothy Geithner signalisierte seine Rückendeckung für die Forderung: „Ich stimme mit ihnen überein, dass dies die wohl bekannteste Börse der Welt ist.“