Schuldneratlas 2016 Mehr Senioren in der Schuldenfalle
Bundesweit sind laut Creditreform 10,06 Prozent der Bürger überschuldet. Besonders hoch ist der Anstieg bei Menschen ab 60 Jahren. Ihnen droht Altersarmut.
Düsseldorf. Konsum, Erkrankung, Sucht, Unfall, Arbeitsplatzverlust, gescheiterte Immobilienfinanzierung, Trennung und vieles mehr — die Liste der Ursachen, die Bürger in die Verschuldung treiben kann, ist lang. Die Überschuldung von Privathaushalten in Deutschland ist 2016 zum dritten Mal in Folge — deutlicher als erwartet — angestiegen. Das sagte am Donnerstag Helmut Rödl, Aufsichtsrat Creditreform AG, bei der Vorstellung des Schuldneratlas 2016. Zum Stichtag 1. Oktober wurde demnach für die gesamte Bundesrepublik eine Überschuldungsquote von 10,06 Prozent gemessen. Damit sind mehr als 6,8 Millionen Menschen über 18 Jahren überschuldet. Das bedeutet einen Anstieg um 1,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (131 000 Personen).
Der aktuelle Anstieg der Überschuldungszahlen beruht laut Rödl „ausschließlich auf einer Zunahme der Fälle mit hoher Überschuldungsintensität, sprich Menschen, die einen Offenbarungseid ablegen mussten. Aktuell waren es 220 000 Fälle (Plus 5,6 Prozent), währens die Zahl der gering überschuldeten Personen mit „nachhaltigen Zahlungsstörungen) um rund 89 000 Fälle (Minus 3,2 Prozent) abnahm.
Während sich die Situation in der Altersgruppe bis 30 Jahre leicht verbessert hat, ist die Überschuldungsquote bei über 70 Jährigen dramatisch angestiegen. Die Zunahme beträgt seit 2013 genau 57,7 Prozent auf nun 174 000 Bürger. In der Altersgruppe von 60 bis 69 Jahre sind 504 000 Menschen überschuldet, ein Plus von 20,4 Prozent innerhalb von drei Jahren. „Wer 60 Jahre oder älter ist, sollte keine Schulden mehr haben. Sonst besteht die große Gefahr, dass man sie nicht mehr los wird“, sagte Ralf Zirbes, Geschäftsführer Creditreform Boniversum, der eindringlich vor Altersarmut warnte. Die immer höhere Zahl von hochbetagten Menschen in Kombination mit der wahrscheinliche Entwicklung der Renten nach unten verschärfe das Problem in Zukunft weiter, so Zirbes.
Michael Bretz, Leitung Wirtschaftsforschung, Verband der Vereine Creditreform, kritisierte, dass die Armutsgefährdung in Deutschland bei 16 Prozent liegt — praktisch der Durchschnittswert der Europäischen Union. Das sei bedenklich.
Ein weiterer Trend ist nach Angaben von Creditreform, dass sich Frauen immer häufiger verschulden. In diesem Jahr sind es fast genauso viele, wie Männer. Diese verursachten in diesem Jahr rund 68 000 Überschuldungsfälle (Plus 1,6 Prozent). Bei Frauen betrug die Zunahme auf etwa 63 000 Fälle (Plus 2,4 Prozent). 2016 gelten rund 7,55 Prozent der deutschen Frauen über 18 Jahre (2015: 7,39 Prozent) als überschuldet oder zumindest nachhaltig zahlungsgestört. Bei Männern sind dies aktuell 12,72 Prozent (2015: 12,61 Prozent).
In Nordrhein-Westfalen ist jeder zehnte Bürger überschuldet (11,66 Prozent), mehr als 1,72 Millionen Menschen können ihre Rechnungen nicht bezahlen. Die Zahl der Überschuldeten ist damit im Vergleich zum Vorjahr um rund 29 000 weiter angestiegen. NRW liegt über der bundesweiten Verschuldungsquote von 10,06 Prozent. Das Ruhrgebiet ist laut Creditreform ein „Hotspot“ in Sachen Überschuldung. Betroffen sind die Revier-Metropolen Duisburg, Essen und Dortmund, aber auch kleinere Städte wie Gelsenkirchen oder Herne. Negativer Spitzenreiter unter den Städten ist Wuppertal. In der Bergischen Metropole gelten 18,08 Prozent der Bürger als überschuldet (siehe Kasten).
Negativer Spitzenreiter bundesweit ist weiter Bremen mit 14,01 Prozent. Am niedrigsten ist die Quote in Bayern mit 7,35 Prozent, gefolgt von Baden-Württemberg mit 8,34 Prozent.